Neulich habe ich eine spannende Verfilmung über Maximilian von Österreich und Maria von Burgund gesehen. Ich dachte nur, das gibt es doch nicht, denn ich besichtigte vor einiger Zeit eine Kapelle in Lille, in der Maria gebetet haben soll. Und zurzeit befasse ich mich durch die portugiesische Geschichte viel mit Marias Zeit, also mit dem 16. Jahrhundert, da es von Portugals Zeit als Weltmacht viele schöne Dinge zu sehen gibt.
Diese schlichte Kapelle befindet sich heute im Rathaus von Lille, zu Marias Zeiten eine der reichsten Städte Europas. Hochgekommen waren die Bürger durch Tuchhandel. Noch heute ist Tuch aus Flandern in Adelssitzen zu finden in Form von prachtvollen Wandteppichen und eingewebten Bildern adeligen und religiösen Lebens.
Unter den damaligen Herrschern war Burgund sehr begehrt und Maria eine gute Partie. Frankreich und Österreich führten daher sogar Krieg gegeneinander. Die schöne und sehr gebildete Frau hatte sich nämlich für Maximilian entscheiden müssen, den sie für grob hielt. Sie schickte eine Hofdame nach Wien, um ihn erst zu prüfen. Roch er wirklich so schlecht wie gesagt wurde? Speiste er auch so unkultiviert, indem er die Gabel mit den Zinken nach unten in den Mund führte? Wäre beides erfüllt gewesen, hätte ihm die Zofe nicht das Bildnis mit ihrem Anlitz überreichen dürfen.
Aber die Ehe mit dem letzten Ritter lief auch viel harmonischer als erwartet. Leider fiel sie auf einer Jagd vom Pferd. Es war leichtsinnig, während einer Schwangerschaft so wild zu reiten. Sie starb einige Tage später an den Folgen. Aus der Zeit übrig geblieben sind prächtige Bürgerhäuser im Zentrum Lilles und erstaunlich gute Kunst im Stadtkern und im Umland. Ein Reporter des Kuriers in Wien war jetzt in Lille, vergleicht sie mit Brügge. Und auch ich schrieb darüber für “Die Presse” in Wien. Viel Spaß beim Schmökern.
Kriegsorte in Frankreich besuchen: Als der Reisende zur Pressereise „Wege der Erinnerung 1914 — 1918“ eingeladen wurde, fühlte er sich hin- und hergerissen. Das Programm versprach nur Beklemmendes. Denn es sollte drei Tage lang über Soldatenfriedhöfe, durch Museen und zu Schauplätzen des Ersten Weltkrieges gehen. Für Militärgeschichte interessierte er sich aber während seines Geschichtsstudiums nie. Es gibt Spezialisten, die sich ungewöhnlich gut mit Heeresbewegungen, Waffen, Militärfahrzeugen auskennen und nahezu jedes Datum der Schlachten aufzählen können. Warum auch immer!
Auf Flohmärkten gibt es Bücher über Generäle, Panzerdivisionen und Kriegsschiffe. Nur einmal kaufte er sich solch ein Werk, weil ihm ein befreundeter Fotograf in der Nähe von Tromsø die Stelle zeigte, an der das Wrack der Tirpitz liegt, Hitlers Lieblingsschiff. Britische Bomber versenkten das Schiff in Nordnorwegen. Es war beklemmend, zum Beispiel Uniformteile in einem Museum zu sehen, die einst deutschen Seeleuten gehört hatten.
Kriegsorten bieten spannende Geschichten
Er kennt auch Gibraltar im Süden Spaniens. Der heutige Affenfelsen nahm einst eine wichtige strategische Stellung zur Kontrolle des Mittelmeeres ein. Bis heute erinnert er sich gerne an den britischen Kriegsveteranen, der ihm erzählte, dass er einst auf Gibraltar als Pilot gearbeitet habe. Deutsche hätten sein Flugzeug abgeschossen. Oder an den Bericht des Kapitäns: Dieser zeigte Delfine und erzählte dabei, wie spannend ein Roman über britische und deutsche Spione in der Bucht am Felsen gewesen sei. Geschichte aus anderer Perspektive.
Die dort gemachten Erfahrungen verlocken den Reisenden nun wieder loszufahren, um Kriegsschauplätze in Frankreich zu besuchen. Er will das mit eigenen Augen sehen, was er nur aus den Geschichtsbüchern kennt. Er will mit Menschen sprechen, die dort leben. Und er wird später solche Besuche nachbereiten, indem er Literatur darüber liest. Die Reaktion, der Besuch solcher Stätten sei langweilig, kann er nicht nachvollziehen. Angesichts hoher Besucherzahlen auf Soldatenfriedhöfen und an anderen Stätten — Erinnerungstourismus — steht er mit dieser Meinung nicht allein. Denn solche Stätten hängen oft mit der deutschen Geschichte zusammen.
Die Folgen solcher Kriege, das Leiden der Menschen, die Nutzlosigkeit, dürfen nie in Vergessenheit geraten. Die Ursachen für Konflikte müssen untersucht, Lösungen zur Vermeidung gefunden werden. Denn hinter spannenden Geschichten von Zeitzeugen steckt oft großes Elend.
Erinnerungstourismus in Nordfrankreich
Scharen von Touristen – vorwiegend aus Australien und Kanada – rollen täglich vor die Friedhöfe für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in Nordfrankreich. Sie nehmen dafür über 20-stündige Flüge von Sydney oder Vancouver nach Paris in Kauf. Auch viele Briten sind unter den Besuchern. Was suchen all diese Menschen in der Region Nord-Pas-de-Calais, fast hundert Jahre nach dem Kriegsgeschehen? Sind sie in den Sog des Erinnerungstourismus geraten? Oder wollen sie einfach nur Kriegsorte in Frankreich besuchen?
Rathaus von Arras
Rettung eines Soldaten
Australisches Bunkerdenkmal im Australien Memorial Park Fromelles nahe Arras.
Zur Stärkung vor der Tour empfiehlt sich in Lille erst einmal der Besuch der Brauerei Les 3 brasseurs in der Nähe des Hauptbahnhofes. Dort gibt es deftiges Essen. Viele trinken hier Bier, was zu Lille traditionell gehört. Mir serviert man Rindfleisch mit Pommes Frittes. Fritten sind typisch hier. Belgien ist nahe. Das Rindfleisch besteht aus einzelnen Stücken, die zu einem saftigen Stück zusammengefügt sind. Als Dessert kommt Eis mit Spekulatius auf den Tisch. Es gebe nahe Lille eine große Spekulatius-Fabrik, erklärt man uns. Daher gehörten Spekulatius immer zum Essen. Dann geht es nach Arras.
Ehrenmal in Fromelles
Viele Touristen strömen in der Nähe von Arras zu einem neuen australischen Ehrenmal von 1998 in Fromelles. Hier verlief längere Zeit die Westfront. Australien musste am 23. August 1914 gemeinsam mit den anderen Dominions Kanada, Südafrika und Neuseeland sowie mit der Kolonie Britisch-Indien in den Krieg eintreten. Das Denkmal zeigt einen breitbeinig gehenden Soldaten mit gebeugtem Kopf, der einen toten Kameraden auf seinen Schultern schleppt. Er steht für 5.000 Australier, die hier in einem über 24 Stunden dauernden Kampf gegen die Deutschen im Jahre 1916 ihr Leben verloren. Für viele Australier ist dies bis heute eines der schlimmsten Ereignisse ihrer Geschichte. Die Männer wurden von Maschinengewehrsalven…
Orientalischer Herrscher mit Minaretten auf dem Kopf
Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées
Umzugswagen wie an Karneval
Umzugswagen wie an Karneval
Umzug in den Straßen
Ein King Kong ähnlicher Gorilla
Godzilla steigt am Bahnhof Gare Lille Flandres in die Luft. Bietet der dort startende große Umzug Einblicke ins amerikanische Kino?
Karibe mit Federbusch
Renaissance-Fest auf der Grand Place: Nach Lille lockt den Reisenden einerseits die Aussicht mit dem Renaissance-Fest auf der Grand Place, die Kulturhauptstadt 2004 mit anderen Kulturhauptstädten zu vergleichen. Die in Västerbotten liegende Stadt Umeå ist seit 2010 schwedische Kulturhauptstadt. Aarhus in Mitteljütland setzt diese Reihe in Dänemark 2018 fort. Beide Städte kennt der Reisende gut. Denn er reist regelmäßig durch Skandinavien.
Andererseits wird sich dort vor 500.000 Besuchern ein Renaissance-Fest auf der Grand Place abspielen. Dieses findet fast jedes Jahr statt, selbst aktuell in Zeiten der Corona-Pandemie. Erst kurz davor ist der Reisende mit dem Fahrrad von Bonn aus aufgebrochen, um auf 1.100 Kilometern nicht nur den Niederrhein und den südlichen Teutoburger Wald anzuschauen. Er wollte sich auch von der Weser-Renaissance inspirieren lassen. Hervorragende architektonische Perlen aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind zum Beispiel das Bremer Rathaus, das Schloss Hämelschenburg vor sowie das Rattenfängerhaus in Hameln. Renaissance hat ihn also ziemlich inspiriert.
Spannung aufs Renaissance-Fest auf der Grand Place
Werden die aus Rio, Detroit und Seoul angereisten Akteure historische Gewänder tragen? Durchströmt Musik aus dieser Zeit die Stadt? Dort sind auch noch Häuser aus Renaissance und Barock erhalten. Wird aus Literatur des Renaissance zitiert? Etwa aus Theaterstücken des berühmten portugiesischen Dramatikers Gil Vicente? Vicente ist auch Franzosen gut bekannt. Portugiesische Einwanderer haben ihn in Frankreich eingeführt. Viele seiner Stücke wurden ins Französische übersetzt.
Angekündigt ist eine Transformation der historischen Renaissance in die heutige Zeit. Hier nun einige Beispiele vom Renaissance-Fest auf der Gand Place. Die entsprechenden Fotos sind oben in der Diashow zu sehen:
Hier folgt nun ein Ausschnitt aus dem dem Renaissance-Fest auf dem Grand Place: Godzilla steigt am Bahnhof Gare Lille Flandres in die Luft. Bietet der dort startende große Umzug Einblicke ins amerikanische Kino? Weitere Giganten beleben das Stadtbild: hier ein orientalischer Herrscher mit Minaretten auf dem Kopf. Dort zieht ein Karibe mit Federbusch durch die Straßen. Ihm folgt ein King Kong ähnlicher Gorilla. Die Grand Place bietet also reichlich Gelegenheit für ein Foto-Shooting.
Fast wie „Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées“
Die Szenerie erinnert an das im Palais des Beaux-Arts hängende Gemälde „Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées“. George-Antoine Rochegrasse stellt darauf das Künstlerfest von 1894 auf den Champs-Elysées in Paris dar. Fröhliche Menschen aus fast allen Erdteilen der Welt und aus unterschiedlichen Epochen sind darauf abgebildet. Die 1890-er Jahre bilden den Höhepunkt des französischen Imperialismus. Frankreich erobert große Gebiete in Afrika und Asien und kann damit England die Stirn bieten. Das Bild kann man als Propagandabild deuten. Nach dem deutschen Sieg von 1870/71 hat Frankreich eine neue Identität gefunden. Es kann seinen Nationalstolz in neuer Identität als Republik und Kolonialmacht behaupten.
Aus der Vogelperspektive sind die zusammenlaufenden Straßen gut zu sehen. Hierdurch ziehen in der Dunkelheit die ersten Wagen. Die begleitende Musik erinnern an den Karneval von Rio. Eine Lasershow hüllt Tänzer und Musiker in unwirkliche Farben.
Aber mit einer Transformation von der Renaissance in die Moderne hat dies wenig zu tun. Oder?
Unter diesem Eindruck führt der Weg ins urige Restaurant “Au barbue d’Anvers”. Dort kann jeder dem Rummel gut entgehen, um sich in Ruhe auf einen weiteren Kulturtag in Lille vorzubereiten.
Nach dem Besuch der Bäckerei und der Verköstigung mit Cramique du Sucre in der Geschäftszone Lilles in Flandern führt Anne in ein schönes Textilgeschäft. Dort in der Altstadt zeigt sie uns ein hartes Gewölbe aus Blaustein. „Alle Gebäude in der Altstadt verfügen über solche Keller“, erklärt Anne. Sie seien aus Blaustein erbaut, einem harten Kalkstein, der nicht altere, so dass man auch auf ihm im Gegensatz zu Sandstein laufen könne. Er werde in einer Entfernung von 30 Kilometern in Belgien abgebaut. Das Gewölbe stamme aus dem 17. Jahrhundert, ungefähr zu der Zeit, als Ludwig XIV. Lille belagerte. Der König wollte die durch Tuchhandel reich gewordene Stadt ins Reich eingliedern.
An solch einer Architektur macht Anne deutlich, warum Lille Kulturhauptstadt ist. Denn die alten Häuser fallen nicht der Abrissbirne zum Opfer, wie es auch in Aarhus zu sehen ist. Das Hafenviertel der Kulturhauptstadt 2017 erwacht zu Leben, indem Architekten dort alte Fabrikgebäude renovieren lassen und für junge Unternehmen öffnen. Aber auch eine Strandbar, ein Volleyballfeld und Schwimmmöglichkeiten für die Bürger gibt es seit kurzem. So bleibt der Charakter der Stadt erhalten. Der Tourist wandelt durch die Vergangenheit wie durch hartes Gewölbe aus Blaustein, sieht aber schon die Zukunft.
Ein wenig an die Geschichte der Sagrada Familia in Barcelona erinnert die Baugeschichte der Kathedrale Notre-Dame-de-la-Treille. Mit ihr schließt Anne die Führung durch Lille ab. 1854 begann der Bau der neogotischen Kirche. Erst Weihnachten 1999 wurde er mit einer besonderen Fassade vollendet. „An der Westseite erhebt sich eine Fassade aus leuchtendem portugiesischen Marmor. Sie ist eine Besonderheit, denn durch den Marmor dringt das Licht aus der Welt in die Kirche ein. Wenn die Sonne darauf scheint, fühlt sie sich warm an. Von innen ist sie fast honigfarben. Von außen strahlt sie weiß.
Morgen fährt der Reisende nach Paris. Dort trifft er seine Freundin Alexandra wieder.
Andere Kulturhauptstädte wie Graz in der Steiermark heißen Besucher direkt in einer schönen Altstadt willkommen. Lilles Zentrum hingegen liegt im Bahnhofsviertel, wo internationale und regionale Züge eintreffen. Die durch Tuchhandel berühmte Stadt befindet sich in der Region Flandern im Norden Frankreichs an der belgischen Grenze. Der Weg vom dort liegenden Hotel ins Zentrum dauert aber nur wenige Minuten. Fremdenführerin Anne führt eine Gruppe deutscher Journalisten in die Stadtgeschichte ein. Sie beginnt eine Zeitreise ins späte Mittelalter, als die Herzöge von Burgund in Lille residierten.
Private Kapelle der Herzogin Maria
Diese führt zuerst in eine private Kapelle der Herzogin Maria von Burgund. Erbaut wurde diese von 1450 bis 1470. Nachgewiesen ist, dass Maria dort betete. Das innen fast schmucklose, Gebäude befindet sich im ehemaligen Rathaus der Stadt. Heute sitzt dort die Touristen-Info. Das Rathaus hieß im 15. Jahrhundert Palais Rihour.
Dieser Palast war Residenz der Herzöge von Burgund. Karl der Kühne, Herzog von Burgund, starb 1477. Dann hat seine Tochter Maria von Burgund den Erzherzog Maximilian von Österreich geheiratet. Maria war eine der besten Partien Europas. Denn sie besaß das Herzogtum. Die burgundische Erbschaft war wichtig. Denn so konnte das Haus Habsburg zur Weltmacht aufsteigen. Lille gehörte jetzt zu Österreich.
3sat zeigt hin und wieder die gute Verfilmung “Maximilian — Das Spiel von Macht und Liebe”. Es gelingt, die Geschehnisse auf wichtigste Ereignisse zu Beginn der Regentschaft des letzten Ritters zu reduzieren.
Sehenswert in der Sakristei sind Bleiglasfenster aus dem 16. Jahrhundert. Ursprünglich befanden sie sich in der Kirche Saint-Pierre in La Couture nahe Lille. Eines zeigt Figuren aus dem Alten Testament wie zum Beispiel König David. Ein anderes Fenster zeigt einen Mönch, ein weiteres einen Bischof.
In sechs Wochen beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Am 12. Juni ist Lille, Gastgeberin bei der Fußball-EM. Eine Kulturhauptstadt kann auch Fußball. Die Deutschen spielen an einem Sonntag gegen die Ukraine. Da Durchstreifen & Erleben herausfinden will, was die Stadt außer der Leidenschaft Fußball zu bieten hat, besucht der Reisende die Stadt in Nordfrankreich. Ist die ehemalige Kulturhauptstadt Lille anders als Umeå, die schwedische Kulturhauptstadt 2014? Oder als Aarhus und Paphos, die Kulturhauptstädte 2017 in Dänemark und auf Zypern? Das interessiert ihn brennend.
Da der Reisende sich zuvor Paris angeschaut hat, kommt er mit dem Zug im Bahnhof Lille Flandres an. Es bedrückt ihn, dass auf dem Bahnhof bewaffnete Soldaten patrouillieren. Ein von Soldaten begleiteter Polizist kontrolliert gar einen dunkelhäutigen Mann. In Frankreich gilt gerade höchste Terrorwarnstufe.
Zwei große Bahnhöfe in einer Stadt
Angenehm ist hingegen, dass Jugendliche an einem Tisch im Wartebereich sitzen und ihre elektronischen Geräte einstöpseln können, um über das allerdings lahmende WLAN zu chatten oder Musik zu hören. Auf dem Weg zum Hotel stelle der Reisende fest, dass es in Lille einen zweiten Bahnhof gibt. Wäre er aus Deutschland gekommen, wäre er in Lille Europe eingetroffen. Ein ganz schöner Luxus für eine mittelgroße Stadt!
Neben den Bahnhöfen liegt das Novotel Suite Hotel. Mit dem Frühstück ist der Reisende zufrieden, gibt es doch Müsli und nicht nur Croissants. Leider sind die Tische recht klein. Daher ist es nicht einfach, sich zu mehreren auf der Pressereise zusammenzusetzen.
Viele Hotels in Lille Nord
Dafür aber sind die Zimmer wirklich Suiten. Bad und WC sind voneinander getrennt. Praktisch, wenn man zu zweit reist. Hingegen sollte man das Fenster nachts nicht öffnen, da vorm Haus LKW und Busse mit laufenden Motoren stehen. Insgesamt ist das Hotel bedenkenlos weiterzuempfehlen. Vom Fenster aus sind geometrisch geformte verglaste Türme zu sehen. In ihnen sind unter anderem Hotels untergebracht. Das Stadtviertel Lille Nord ist vor allem dem Transport und dem Tourismus gewidmet. Hier strömen täglich viele Menschen durch. Andere Kulturhauptstädte wie Graz in der Steiermark heißen Besucher direkt in einer schönen Altstadt willkommen.
Das sieht richtig edel aus. Antike griechische und römische Statuen säumen den Beckenrand des Schwimmbads mit Art-déco in Lille, Hauptstadt der Region Flandern. Am liebsten würde der Reisende jetzt seine Badehose auspacken und reinhüpfen. Denn noch nie ist er in einem Schwimmbad im Art-déco-Stil gewesen.
Einige Museen hat er schon in dieser Art gesehen wie die schöne Casa das Mudas bei einer Rundreise auf Madeira. Das kann er für einen Besuch nur empfehlen. Es liegt etwa 20 Minuten von Funchal entfernt, zeigt Kunst und Möbel, die ziemlich kostbar aussehen, da auf Hochglanz poliert. Es gibt eine gute Flugverbindung von Frankfurt nach Funchal. Aber noch kein Schwimmbad, piscine auf Französisch.
Das Becken ist voller Wasser. Es riecht nach Chlor, und die Luft ist feucht. Doch die Oberfläche ist glatt wie ein Spiegel. Schwimmer sind nicht zu sehen. Denn das Bad in Roubaix, einer ehemaligen Arbeiterstadt außerhalb Lilles, ist nur noch zu Schauzwecken eröffnet — als Musée d’Art et d’Industrie de Roubaix. 1912 beschloss der Rat der Stadt, dass sich hier Arbeiter erholen sollten, die in Fabriken der Umgebung tätig waren. Doch der Folgen des Ersten Weltkriegs wegen konnte es erst 1932 eröffnet werden.
Im großen runden Fenster am Ende der auch für Olympische Spiele geeigneten Kampfbahn geht die Sonne auf. Gelbe Strahlen deuten sie an, die sich auch auf der Wasseroberfläche spiegeln. Über ihr eine glatte weiße Decke, gewölbt wie die Tonnengewölbe großer Kathedrale. Ringsum gehen auf zwei Etagen kunstvoll gemeißelte Geländer. Teils ragen Balkone heraus. Von denen konnten Badegäste das Geschehen unter sich in der Halle beobachten. Leicht belustigt flaniert der Reisende durch die Schwimmhalle. Denn aus Lautsprechern ertönen Stimmen und Plätschern der Badegäste vergangener Zeiten. So wird der Eindruck erweckt, als liefe der Betrieb auch heute noch. Sogar Umkleidekabinen existieren noch im Schwimmbad mit Art-déco.
Dem Schwimmbad im Art-déco-Stil folgt das Kunstmuseum LaM
Danach besucht der Reisende das Kunstmuseum LaM, das einige Kilometer weiter außerhalb von Lille liegt. Der Name steht für Lille Métropole, musée d’art moderne, d’art contemporain et d’art brut. Der Reisende findet, diese Exponate können durchaus mit dem Centre Pompidou in Paris mithalten, das etwas verstaubt daherkommt. Man merkt alleine am Konzept und der Architektur, das hier noch ein Team an den Hebeln sitzt, da noch 2004 die Spiele der Kulturhauptstadt organisierte. Der Industrielle und Kunstsammler Jean Masurel (1908–1991) und dessen Ehefrau Geneviève legten 1979 mit der Schenkung ihrer Sammlung von Kubisten, Surrealisten und anderen Gemälden die Basis für die Gründung des Museums.
Eine weitere große Schenkung erfolgte zwanzig Jahre später mit der Art-brut-Kollektion von 3.500 Werken der Gruppe Aracine an den Stadtverband Lille. Darunter befinden sich Werke wie zum Beispiel Jean Dubuffets’, von dem auch der auf dem Foto abgebildete weibliche Akt stammt.
Noch beeindruckender findet der Reisende den Skulpturenpark außerhalb des Museums — mit Werken Picassos und Mirós zum Beispiel. Und die Gestaltung der Gebäude findet er spannend, die er näher in einem Artikel für die österreichische Zeitung “Die Presse” beschrieben hat. Die Reise nach Flandern hat sich allein für diesen Tag gelohnt.
Centre Pompidou gleicht von außen eher einer Garage denn einem Museum.
Ist das Centre Pompidou eine Garage? Lange Röhren führen an der verglasten Fassade entlang. Metallstreben wirken wie Baugerüste. Das berühmte Museum Centre Pompidou in Paris wirkt eher wie eine große Garage als eine Stätte berühmter moderner Kunstwerke. Sicher sollte der Bau mal sehr modern auf Betrachter wirken. In Deutschland sehen ihm technische Gebäude mancher Universitäten und Fachhochschulen ähnlich wie zum Beispiel an der Corrensstraße in Münster. Doch heute wirkt dieser Stil kalt und abweisend. Der Reisende geht in seinem Kulturreiseführer “Münster Stadt der Skulpturen” näher auf das architektonische Problem ein. Ist der Stil zeitloser Gebäude eine Lösung? Oder ist die Mode einer bestimmten Epoche spannender, da es um den Zeitgeist geht?
Am Gebäude kann man nicht viel ändern, ohne ein große Geldsumme in die Hand zu nehmen. Aber das Ausstellungskonzept müsste die Museumsleitung überarbeiten. Es wirkt nicht dem Stand der Zeit entsprechend. Viele Kunstwerke setzt man den Besuchern vor, erklärt wenig, rückt sie nicht ins rechte Licht. Es sind auch zu viele Exponate. Man eilt irgendwann an ihnen vorbei, ohne etwas mitzunehmen. Das Centre Pompidou ist eine bessere Garage.
Andere Museen in Europa deutlich moderner
Was Modernität angeht, sind andere Kunsthallen wie ARos in Aarhus oder Le Tripostal in Lille weiter. Dort fühlt sich der Reisende wie getragen. Er gleitet entspannt von einem Raum zum nächsten. Die Exponate werden ergänzt durch audiovisuelle Medien, die sich zum Beispiel zeitkritisch mit gesellschaftlichen oder politischen Themen auseinandersetzen. Oder Künstler spielen mit Licht und Schatten, um widerzuspiegeln, was Menschen fühlen. In abgedunkelten Räumen ahmen verspielte Metallobjekte Bewegungen von Tieren und Pflanzen nach. Im Keller entspannen Videos. Stimmen verschiedener Sprecher schallen durchs dämmrige Gewölbe. Sie erzeugen eine meditative Stimmung.
Für “Die Presse” in Wien hat der Reisende nach der Rückkehr einen Artikel über Lilles Museen geschrieben, mit Paris verglichen. Morgen besucht er mit Alexandra das Museum Louvre.