Aarhus in 36 Stunden: Die Reporterin Ingrid K. Williams von der “New York Times” besuchte die dänische Kulturhauptstadt. Sie meint, es sei möglich, dort die wichtigsten Sehenswürdigkeiten binnen 36 Stunden zu besichtigen. Dafür setzt sie ein langes Wochenende an. Aarhus bezeichnet sie als eine kleine Stadt der Wissenschaft. Diese biete verblüffendes Kunstwerk, gemütliche Restaurants und exzellentes Brauhausbier.
In erster Linie sieht sie Dänemarks zweitgrößte Stadt als Uni-Stadt an. Jeder siebte Bewohner studiere. An allen Ecken und Enden sprießten neue architektonische Landmarken und umgenutzte Kulturkomplexe wie Wildblumen. Am alten Hafen könne man jetzt abends ausgehen und interessante Design-Objekte besichtigen. Die Stadt sei fußläufig und biete sowohl oben wie unten Entdeckungen an wie Kunstwerke auf dem Dach als auch gemütliche Löcher in Wänden. All das befinde sich nur drei Zugstunden von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt.
Am Freitag Kunst und Essen
Zunächst führt Williams an einem imaginären Freitag ihre Leser ins Kunstmuseum AroS. Auf dem Dach empfand sie den in Regenbogenfarben gehaltenen Rundgang als spektakulär. Dieses von Olafur Eliasson geschaffene Kunstwerk sei Instagram-tauglich. Besucher könnten die Kulturhauptstadt von oben buchstäblich aus der 360-Grad-Perspektive betrachten. Unter dem Rundgang befinden sich die Ausstellungen des Hauses: Diese offerieren politisch geladene Werke wie „No man is an island – The Satanic Verses“ oder einen Ausstellungsraum „The 9 Spaces“ mit audiovisuellen Arbeiten zeitgenössischer Künstler. Sie hebt die faszinierende Rotlicht-Installation von James Turell hervor und die audiovisuellen Arbeiten des Schweizer Künstlers Pipilotti Rist.
Gut vier Stunden später will die Autorin zu einem Essen im Restaurant Haervaerk verführen. Im Speisesaal gebe es Besteck in Lederbeuteln. Fleisch werde dort aufgehängt. Das Menü wechsele täglich. Dies richte sich danach, was kleine lokale Zulieferer gerade zum Verkauf anböten. Ihr Menü begann mit schmackhaften Snacks: Schmalz drappiertem lauchblättrigen Bocksbart folgten mit Schinken verpackte Grissini. Ihren Gaumen verwöhnten danach belgische Waffeln mit Pilzen. Dazu trank sie Cider des Vinhuset Kvist & Vitus im Süden der Stadt. Als wäre dies nicht genug, ließ sie sich dann gebackene Rüben mit Pferdespeck sowie Artischocken-Eis mit Chips und Kaviar schmecken. 450 Kronen für solch ein Mahl sind für dänische Verhältnisse noch ausgesprochen günstig.
Am Samstag Bier und Architektur
Dass sie danach auch gut geschlafen hat und schon wieder hungrig war, zeigt, dass sie sich bereits um 10 Uhr morgens zu einem Bier-Menü einfand. Dies bot ihr die Bar HantWerk. Diese böte jütländische Sorten wie „Blondines Kusine“. Hinter dem lustigen Namen verbirgt sich ein belgisches Bier mit Zitrus-Geschmack, das die Mikrobrauerei Humleland herstelle. Danach ließ sie es sich offenbar in der Bar Mig & Olsnedkeren bei einem weiteren Bier gut gehen. Dabei muss man sich Aarhus gar nicht schön trinken. Wie es um ihre Blase danach bestellt war, möchte man gar nicht wissen. Denn aufs Bier folgte ein Kaffee im “Great Coffee”. Diesen bietet mit Søren Stiller Markussen einer der besten Kaffee-Baristas Dänemarks an. Die Promille schienen sich schon auszuwirken, denn sie übersah, dass Name des Mannes mit ø statt mit o geschrieben wird. Dabei übersah sie auch die vielen interessanten Glasbehälter in der Kaffeerösterei. Denn der Inhaber kocht nicht nur einfach Kaffee. In seinem Reiseführer „Aarhus Stadt des Lächelns“ beschreibt der Reisende das Vorgehen eingehender. Stattdessen schlüpfte sie vielleicht beschwipst in den Kaffeeladen “RS28”. Dort reichte man ihr eine schaumige Latte Macchiato. Und sie sprach mit Baristas über Aromen.
Bibliothek der Zukunft und kreative Szene
Wie sie es so schon um 11 Uhr in Dänemarks Bibliothek der Zukunft „Dokk 1“ geschafft hat, bleibt ihr Geheimnis. Eine physische Bücherei im digitalen Zeitalter. Diese befindet sich am Wasser auf Aarhus Ø, dem umgestalteten alten Hafen der Stadt. Das dänische Architekten-Büro Schmidt Hammer Lassen hat ihr diese neo-futuristische heptagonale Struktur verliehen. Sie sei nicht nur einfach eine öffentliche Bücherei. Sie biete zudem Räume für Büros, Kulturveranstaltungen, Ausstellungen, Vorführungen sowie Klubsessel zum Ausruhen und Platz fürs Abendessen. Außen gebe es eine Terrasse mit Platz für Kinder und Outdoor-Kunst, innen einen schönen Blick aufs Wasser und die alte Industrie-Kultur.
Eine Stunde später bereitet ihr Michelin-Koch Wassim Hallal smørrebrød zu – sie schreibt smorrebrod. Das Butterbrot mit Kartoffelbrei, knusprigem Schinken, karamellisierten Zwiebeln und Babygemüse gebe es in der Location F‑Hoj am Flussufer. Sie empfiehlt dazu Krabben, zu denen ein Hühnchen-Apfel-Salat in Senfsauce serviert wird.
So gestärkt begibt sie sich dann ins Kopenhagener Möbelgeschäft Paustian. Dies scheint eine breite Palette unterschiedlicher Stile anzubieten vom Funktionalisten wie Wegner und Jacobsen Mitte des 20. Jahrhunderts bis zu modernen Trendsettern wie Muuto and Hay. Das Möbelhaus ist demnach in einer ehemaligen Eisenbahnstation am Wasser untergebracht. Zu finden seien dort Designerstücke wie die Artischocken-Lampe Poul Henningsens. Oder Kay Bojesens hängender Affe, der einst in vielen dänischen Kinderzimmern zu finden gewesen sei.
Zwei Stunden 30 Minuten später fand sie sich in Godsbanen ein, ein alter Güterbahnhof. Heute lüden dort Kreative wie Maler, Schriftsteller und darstellende Künstler in ihre Studios, Galerien und Ateliers ein. Dort böten sich jederzeit Straßenmessen, Ess- und Trinkfestivals, Flohmärkte und Konzerte zum Besuch an – in einer Umgebung mit alten Eisenbahngebäuden, Spielplätzen, Pop-up-Shops und vegetarischem Café.
Abends um 20 Uhr warf sich Autorin Ingrid K. Williams wohl wieder in Schale, suchte das Restaurant „Vesterlauget Madbodega“ auf. Dies bezeichnet sie als „gemütliches Himmelsparadies“. Dafür verwendet sie den dänischen Begriff „hygge“. Möbliert sei es mit Tischen und Stühlen vom Flohmarkt, animiert von Kerzen. Die Gäste teilten sich die Tische. Während es morgens English breakfast und dänisches Butterbrot gebe, böte der Koch abends nur einen Hauptgang an wie Spanferkel mit Gerste, Erbsen und Fenchel. Oder aber dänisches Hühnchen mit Kräutern sowie Linsen und Pastinaken. Dazu als Nachtisch Rhabarber-Mascarpone-Haselnuss-Torte und lokales Bier. Damit sei für einen hyggeligen Abend gesorgt, meint die Autorin.
Für den späteren Abend empfiehlt sie einen Besuch im “Gedulgt“, wo Cocktails gemixt würden. Aber Aarhus in 36 Stunden ist noch längst nicht vorüber.
Am Sonntag Isbjerget und dänische Geschichte
Das Köpfchen war wohl nicht allzu schwer, so dass sich Ingrid am nächsten Morgen um 10 Uhr in „Isbjerget“ einfindet. Dieses einem Eisberg nachempfundene Wohnhaus hat der Architekt Mikkel Frost entworfen, den der Reisende in „Aarhus Stadt des Lächelns“ porträtiert. Wer vom Wasser aus auf Aarhus Ø zusteuert, dem wird das hohe weiße Gebäude nicht entgehen. Dessen „weiße Spitzdächer ragten dramatisch auf wie zerklüftete Gipfel“, schreibt die Autorin.
Mittags führt sie sich Koffein-Energie zu im „La Cabra Coffee“. Und wie kann es auch anders sein? Es lockt sie das gute Essen. Gegrillte Sandwiches, Avocado-Toast und sowie Brot und Käse. Alternativ biete sich „Aarhus Street Food“ an, eine Halle mit über 30 Ständen, gespickt mit internationaler Küche.
Um 13.30 Uhr lässt sie sich immerhin auch mal auf dänische Geschichte ein. Im vom Architektenbüro Henning Larsen gestalteten Moesgaard Museum, das wirklich sehenswert ist, geht es um dänische Frühgeschichte bis hin zur Wikingerzeit.
Im Großen und Ganzen widmete sich die Dame vor allem dem Essen, was amerikanischen Besuchern wohl ziemlich wichtig ist. Aber Kultur schmeckt auch am Besten, wenn man bei Aarhus in 36 Stunden nicht hungrig ist. Auch ein Reporter der Zeitschrift “Vogue” besuchte Aarhus. Dort gibt es weitere interessante Tipps.
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