Erinnerungslinde für Gefallene

Erin­ne­rungs­lin­de für Gefal­le­ne: In die glei­che Rich­tung weist eine Tafel im Teu­to­bur­ger Wald am dor­ti­gen Sol­da­ten­fried­hof im Brum­ley­tal. Der Her­manns­weg führt Wan­de­rer nahe dar­an vor­bei bis ins male­ri­sche Teck­len­burg. Vier Wochen vor Kriegs­en­de fin­det hier am 3. April 1945 ein Kampf zwi­schen eng­li­schen und deut­schen Sol­da­ten statt. 114 Bri­ten und 43 Deut­sche fie­len. „Nie sollst du ver­ges­sen, wie teuf­lisch ver­mes­sen ein Krieg immer ist.“ Die­sen Satz hat der Rie­sen­be­cker Hei­mat­for­scher Johan­nes Oech­te­ring ver­fasst. Es ist wohl die ein­zi­ge Inschrift auf einer Tafel im Müns­ter­land, in der der Krieg ver­ur­teilt wird.

In Worm­bach nahe Schmal­len­berg im Sau­er­land ist der Ver­such einer Sinn­ge­bung des Sol­da­ten­to­des völ­lig auf­ge­ge­ben. Auf dem an der alten Kir­che St. Peter und Paul lie­gen­den Fried­hof gewan­nen die wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges gepflanz­ten Lin­den beson­de­re Bedeutung.

Denn Pfar­rer August Rüsing ord­ne­te, bevor der Zwei­te Welt­krieg aus­brach, jeder Fami­lie des Ortes eine Lin­de zu. Den jun­gen Män­ner ver­sprach er: „Soll­tet Ihr im Krieg in frem­den Lan­den fal­len, so wird ein Kreuz mit eurem Namen zur Erin­ne­rung an eure Lin­de gehängt.“ Wie das wohl gewirkt hat! Bis heu­te hän­gen 36 Kreu­ze an den Lin­den des Worm­ba­cher Kirch­hofs. Kein Gedenk­stein ist zu sehen, kein Sinn­ge­bungs­ver­such erfolgt. Die Spra­che ver­stummt vor jeder Erin­ne­rungs­lin­de für gefal­le­ne Soldaten.

Bewachte Gräber statt Erinnerungslinde für Gefallene

Zurück nach Nord­frank­reich: Eine Erin­ne­rungs­lin­de für gefal­le­ne Sol­da­ten gibt es dort nicht. Statt­des­sen müs­sen auf dem Fried­hof Not­re-Dame-de-Loret­te bei Ablaint-Saint-Nazai­re im Raum Lil­le frei­wil­li­ge „Vete­ra­nen“ die Grä­ber von Gefal­le­nen des Ers­ten Welt­kriegs bewa­chen. Denn es haben bereits Grab­schän­dun­gen statt­ge­fun­den. Es gibt hier ein mus­li­mi­sches Grä­ber­feld mit 576 Grä­bern. Die Sol­da­ten aus den fran­zö­si­schen Kolo­nien, oft aus Marok­ko geholt, sind nach mus­li­mi­schem Ritus bestat­tet. Dabei erwar­tet man an sich, Toten­ru­he gel­te reli­gi­ons­über­grei­fend. Das Tor zu die­sem Fried­hof wird aber abends geschlossen.

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Größtes Lager für Kriegsgefangene

Größ­tes Lager für Kriegs­ge­fan­ge­ne: Zum Ver­gleich nach Deutsch­land, um zu sehen, wie man dort wäh­rend des Krie­ges und danach Fried­hö­fe und Denk­mä­ler gestal­te­te: In Nien­ber­ge nahe Müns­ter befand sich wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges das größ­te Gefan­ge­nen­la­ger Nord­west­deutsch­lands, heu­te als Haus Spi­tal bekannt. Nur ver­ein­zelt kom­men Besu­cher. Ein­sam liegt die im Volks­mund „Rus­sen­fried­hof“ genann­te Kriegs­grä­ber­stät­te, umge­ben von Pla­ta­nen und hei­mi­schen Laub­bäu­men. „Requie­scant in pace“ — „Sie mögen ruhen in Frie­den“ — steht am dop­pel­flü­ge­li­gen Ein­gangs­tor. Auch die grie­chi­schen Buch­sta­ben Alpha und Ome­ga, Anfang und Ende, sind zu sehen. Chris­tus steht an Anfang und Ende allen Seins, umfasst also die Welt­ge­schich­te. Alles ruht in Got­tes Hand. Von deut­schen Sol­da­ten bewacht, ord­ne­ten Gefan­ge­ne aus Eng­land, Russ­land, Bel­gi­en, Ita­li­en und Frank­reich ihre Ange­le­gen­hei­ten selbst, alle Beru­fe waren vertreten.

Für die Kran­ken wur­de ein Laza­rett ein­ge­rich­tet, für die Toten ein eige­ner Fried­hof. 770 Namen fran­zö­si­scher, bel­gi­scher und rus­si­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner sind auf einer Gedenk­säu­le und auf Tafeln ein­ge­mei­ßelt. Fran­zo­sen, Bel­gi­er, Eng­län­der und Ita­lie­ner wur­den umge­bet­tet, jetzt lie­gen hier noch Rus­sen, Polen, Ukrai­ner, Wol­ga­deut­sche und ein indi­scher Stam­mes­fürst. In Zusam­men­ar­beit mit dem Lager­kom­man­dan­ten gestal­te­te der Archi­tekt Dut­hoit die Anla­ge. Er stamm­te aus Lil­le. Er ent­warf selbst Form und Beschrif­tung jedes Ein­zel­teils. Dafür stan­den ihm die Stein­met­ze und Schmie­de unter den Gefan­ge­nen zur Ver­fü­gung. Auf einem Gedenk­stein steht „Pro Patria“.

Erin­ne­rungs­tou­ris­mus gibt es nicht. Aber die katho­li­sche Gemein­de St. Sebas­ti­an gedenkt der Gestor­be­nen an den Toten­ge­denk­ta­gen im November. 

„Den Toten zur Ehre“

Ganz in der Nähe steht an der Dorf­kir­che St. Sebas­ti­an in Nien­ber­ge bei Müns­ter ein künst­le­risch wert­vol­les Krie­ger­denk­mal. Sel­ten bleibt jemand hier ste­hen. Nur am Volks­trau­er­tag (immer zwei Sonn­ta­ge vor dem ers­ten Advents­sonn­tag) gedenkt die Sol­da­ten­ka­me­rad­schaft der Gefal­le­nen bei­der Weltkriege. 

Dar­ge­stellt ist ein Geni­us. Er ist mit einer Hand gefes­selt an einem sei­ner Kro­ne beraub­ten Eich­baum. Er beugt sich gram­voll zu einem toten Sol­da­ten in deut­scher Uni­form nie­der. Die ande­re freie Hand streckt er ihm ent­ge­gen. Neben dem Sol­da­ten liegt ein Stahl­helm. Unter ihm ist Muni­ti­on zu sehen. Den Tor­nis­ter trägt er noch auf dem Rücken. Die Inschrift des 1921 errich­te­ten Denk­mals lau­tet in gro­ßen Let­tern: „Den Toten zur Ehre, den Leben­den zur Mahnung“.

Nie­mand ruft mit die­sem Monu­ment auf, poli­tisch zu han­deln. Der Geni­us kommt von links wie der Engel der Ver­kün­di­gung auf mit­tel­al­ter­li­chen Dar­stel­lun­gen. Die Mah­nung liegt sowohl im gefes­sel­ten Geni­us als auch in der gekürz­ten Eiche — bild­haf­te Sym­bo­le für das dama­li­ge Deutsch­land um 1921. Kei­ner wuss­te kurz nach Grün­dung der Wei­ma­rer Repu­blik und dem Dik­tat des Ver­sailler Ver­tra­ges, wie es wei­ter­ge­hen soll­te. Der Geni­us ist nicht reli­gi­ös gebun­den. Er steht über allen Din­gen und ist unpar­tei­isch. Auch Lin­den waren sym­bo­lisch im Krieg.

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Soldatengräber Prediger des Friedens

Sol­da­ten­grä­ber Pre­di­ger des Frie­dens: Auf dem größ­ten deut­schen Sol­da­ten­fried­hof Frank­reichs, Neu­ville Saint Vaast bei Arras, streift eine Grup­pe von gut 20, zum Teil täto­wier­ten, rela­tiv jun­gen Besu­chern aus Schott­land über Wege und Rasen­flä­chen. Ob sie auch den Satz Albert Schweit­zers „Die Sol­da­ten­grä­ber sind die gro­ßen Pre­di­ger des Frie­dens“ gese­hen haben? Die­se Aus­sa­ge steht auf einer Tafel im Ein­gangs­tor. Dort erhebt sich auch eine Jesus­sta­tue. Chris­tus steht in der Oster­nacht aus sei­nem Grab auf und trägt die Fah­ne des Sie­ges über den Tod. Der Tod auf dem Schlacht­feld soll­te nicht das Ende bedeu­ten. Einer geschla­ge­nen Nati­on soll­te dies neue Hoff­nung aus christ­li­chem Glau­ben geben.

In Neu­ville Saint Vaast ruhen 44.833 deut­sche Sol­da­ten. Auf ihren Grä­bern ste­hen schmuck­lo­se schwar­ze Metall­kreu­ze auf gepfleg­tem Rasen, umge­ben von uralten Bäu­men. Auf den Kreu­zen sind Regi­ment, Name sowie das Geburts- und Todes­da­tum der Gefal­le­nen ver­zeich­net. Schlich­te und aske­ti­sche Stim­mung soll­te so aus­ge­drückt wer­den. Die Denk­mä­ler, die man nach Grün­dung des Deut­schen Rei­ches 1871 errich­tet hat­te, wur­den als über­la­den und pom­pös empfunden.

“Ich hatt’ einen Kameraden”

Eini­ge unter den jun­gen schot­ti­schen Besu­chern haben ein Mas­sen­grab ent­deckt, in dem 7.000 deut­sche Sol­da­ten lie­gen. Auf einer Stein­plat­te steht, dass ihre Namen unbe­kannt sei­en. „Das ist trau­rig“, sagt einer von ihnen. Ihm wer­de die Grö­ße des Leids und die Sinn­lo­sig­keit der Kampf­hand­lun­gen hier­durch beson­ders klar. Die Schot­ten fin­den auf dem Fried­hof auch den Vers „Ich hatt’ einen Kame­ra­den, einen Bes­sern findst Du nicht“. Er steht auf einem Gedenk­stein. Über dem Vers ist ein eiser­nes Kreuz in den Stein gemei­ßelt. Er stammt aus einem bekann­ten Sol­da­ten­lied, gesun­gen wäh­rend der gegen Napo­le­on geführ­ten Befrei­ungs­krie­ge Anfang des 19. Jahr­hun­derts, heu­te noch gesun­gen am Volks­trau­er­tag und auf Trau­er­fei­ern für gefal­le­ne Soldaten.

Das eiser­ne Kreuz hat Schin­kel zur Zeit der Befrei­ungs­krie­ge ent­wor­fen. Gedacht wird hier der fürs Vater­land gefal­le­nen Kame­ra­den. Der Fried­hof wirkt aus heu­ti­ger Sicht durch die­ses Arran­ge­ment ver­söhn­lich: Der Tod ist über­wun­den. Chris­tus hat über ihn gesiegt: Es gibt Hoff­nung auf Auf­er­ste­hung. Nun soll der Frie­de bewahrt blei­ben. Immer­hin durf­ten auf dem Gedenk­stein die Sät­ze „Gefal­len fürs Vater­land“ und der Vers des Lie­des aus den Befrei­ungs­krie­gen ver­wen­det wer­den; dies spricht für viel Tole­ranz der Fran­zo­sen schon kurz nach dem Krieg. Zum Ver­gleich nun von Frank­reich nach Deutsch­land.

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Rudyard Kipling gestaltete Gedenkstein

Rudard Kipling gestal­te­te Gedenk­stein: Die Anla­ge ent­spricht dem Grund­plan eng­li­scher Fried­hö­fe: Um ein Opfer­kreuz und einen Gedenk­stein im Mit­tel­punkt grup­pie­ren sich die Grä­ber. Der schwe­re mas­si­ve Gedenk­stein ist wie ein Altar geformt, ein Sym­bol für den Opfer­tod. Die Inschrift lau­tet: „Their name liveth for ever­mo­re“ (Der Name der Gefal­le­nen lebt auf ewig fort). Rudyard Kipling, der der 1916 gegrün­de­ten bri­ti­schen Kriegs­grä­ber-Orga­ni­sa­ti­on ange­hör­te, hat die­sen Vers dem Buch Sirach ent­nom­men. Rudyard Kipling gestal­te­te den Gedenk­stein. Die See­le der Toten weilt dem­nach hier, auch wenn nie­mand weiß, wo der Sol­dat gestor­ben ist. Und ihre Namen sind das, was bleibt; das bedeu­tet etwas in Großbritannien.

Schwie­rig ist die Deu­tung des dane­ben ste­hen­den Kreu­zes. Ein Kreuz oder ein Schwert sind in es ein­ge­ar­bei­tet. Kipling deu­tet es als „ein star­res Schwert, das im Schoß des Kreu­zes hing, des­sen Sym­bo­lik unbe­stimmt war.“ Man kann es als Kriegs­op­fer und als Hoff­nung auf die Auf­er­ste­hung deuten.

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg voll­zog sich ein radi­ka­ler Wan­del der Erin­ne­rungs­kul­tur an die Kriegs­ge­scheh­nis­se. Bun­des­kanz­ler Hel­mut Kohl und Staats­prä­si­dent Fran­çois Mit­te­rand setz­ten sich für Ver­söh­nung zwi­schen den ehe­ma­li­gen Fein­den ein.

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Architekten gestalteten Soldatenfriedhöfe

Fleurbaix-Besucherliste
Besu­cher­lis­te in Fleurbaix

Archi­tek­ten gestal­te­ten Sol­da­ten­fried­hö­fe: Nur weni­ge Schrit­te vom Denk­mal ent­fernt liegt ein wei­te­rer Fried­hof: „Le Trou Aid Post Ceme­tery“ von Fleur­baix. Hier lie­gen 356 Sol­da­ten des Com­mon­wealth begra­ben. Die­ser Fried­hof wur­de von Sir Her­bert Bak­er ent­wor­fen, der auch die Plä­ne für das indi­sche Par­la­ment in Delhi und die heu­ti­ge Resi­denz des süd­afri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten in Pre­to­ria gezeich­net hat. Kurz nach dem Krieg rief man die renom­mier­tes­ten bri­ti­schen Archi­tek­ten auf, eine Umge­stal­tung der Mili­tär­fried­hö­fe des Empires zu planen.

Über eine stei­ner­ne Brü­cke betre­ten Besu­cher das Tor­häus­chen aus Natur­stein. Jeder soll sich hier so füh­len wie beim Ein­tritt in eine abge­schie­de­ne Welt. In der Hal­le tra­gen sich vie­le der Gäs­te ins offe­ne Besu­cher­buch ein. Auf jeder Sei­te fin­det man min­des­tens zehn Namen. Man­che kom­men aus West York­shire, Man­ches­ter, Lon­don und Kai­ro, sogar aus Grif­fith und Syd­ney in Aus­tra­li­en. Selbst Rudyard Kipling, der Schöp­fer des Dschun­gel­buchs, spielt hier eine Rolle.

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Kriegsorte in Frankreich besuchen

Kriegs­or­te in Frank­reich besu­chen: Als der Rei­sen­de zur Pres­se­rei­se „Wege der Erin­ne­rung 1914 — 1918“ ein­ge­la­den wur­de, fühl­te er sich hin- und her­ge­ris­sen. Das Pro­gramm ver­sprach nur Beklem­men­des. Denn es soll­te drei Tage lang über Sol­da­ten­fried­hö­fe, durch Muse­en und zu Schau­plät­zen des Ers­ten Welt­krie­ges gehen. Für Mili­tär­ge­schich­te inter­es­sier­te er sich aber wäh­rend sei­nes Geschichts­stu­di­ums nie. Es gibt Spe­zia­lis­ten, die sich unge­wöhn­lich gut mit Hee­res­be­we­gun­gen, Waf­fen, Mili­tär­fahr­zeu­gen aus­ken­nen und nahe­zu jedes Datum der Schlach­ten auf­zäh­len kön­nen. War­um auch immer!

Auf Floh­märk­ten gibt es Bücher über Gene­rä­le, Pan­zer­di­vi­sio­nen und Kriegs­schif­fe. Nur ein­mal kauf­te er sich solch ein Werk, weil ihm ein befreun­de­ter Foto­graf in der Nähe von Trom­sø die Stel­le zeig­te, an der das Wrack der Tirpitz liegt, Hit­lers Lieb­lings­schiff. Bri­ti­sche Bom­ber ver­senk­ten das Schiff in Nord­nor­we­gen. Es war beklem­mend, zum Bei­spiel Uni­form­tei­le in einem Muse­um zu sehen, die einst deut­schen See­leu­ten gehört hatten.

Kriegsorten bieten spannende Geschichten

Er kennt auch Gibral­tar im Süden Spa­ni­ens. Der heu­ti­ge Affen­fel­sen nahm einst eine wich­ti­ge stra­te­gi­sche Stel­lung zur Kon­trol­le des Mit­tel­mee­res ein. Bis heu­te erin­nert er sich ger­ne an den bri­ti­schen Kriegs­ve­te­ra­nen, der ihm erzähl­te, dass er einst auf Gibral­tar als Pilot gear­bei­tet habe. Deut­sche hät­ten sein Flug­zeug abge­schos­sen. Oder an den Bericht des Kapi­täns: Die­ser zeig­te Del­fi­ne und erzähl­te dabei, wie span­nend ein Roman über bri­ti­sche und deut­sche Spio­ne in der Bucht am Fel­sen gewe­sen sei. Geschich­te aus ande­rer Perspektive.

Die dort gemach­ten Erfah­run­gen ver­lo­cken den Rei­sen­den nun wie­der los­zu­fah­ren, um Kriegs­schau­plät­ze in Frank­reich zu besu­chen. Er will das mit eige­nen Augen sehen, was er nur aus den Geschichts­bü­chern kennt. Er will mit Men­schen spre­chen, die dort leben. Und er wird spä­ter sol­che Besu­che nach­be­rei­ten, indem er Lite­ra­tur dar­über liest. Die Reak­ti­on, der Besuch sol­cher Stät­ten sei lang­wei­lig, kann er nicht nach­voll­zie­hen. Ange­sichts hoher Besu­cher­zah­len auf Sol­da­ten­fried­hö­fen und an ande­ren Stät­ten — Erin­ne­rungs­tou­ris­mus — steht er mit die­ser Mei­nung nicht allein. Denn sol­che Stät­ten hän­gen oft mit der deut­schen Geschich­te zusammen.

Die Fol­gen sol­cher Krie­ge, das Lei­den der Men­schen, die Nutz­lo­sig­keit, dür­fen nie in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Die Ursa­chen für Kon­flik­te müs­sen unter­sucht, Lösun­gen zur Ver­mei­dung gefun­den wer­den. Denn hin­ter span­nen­den Geschich­ten von Zeit­zeu­gen steckt oft gro­ßes Elend.

Erinnerungstourismus in Nordfrankreich

Scha­ren von Tou­ris­ten – vor­wie­gend aus Aus­tra­li­en und Kana­da – rol­len täg­lich vor die Fried­hö­fe für die Gefal­le­nen des Ers­ten Welt­krie­ges in Nord­frank­reich. Sie neh­men dafür über 20-stün­di­ge Flü­ge von Syd­ney oder Van­cou­ver nach Paris in Kauf. Auch vie­le Bri­ten sind unter den Besu­chern. Was suchen all die­se Men­schen in der Regi­on Nord-Pas-de-Calais, fast hun­dert Jah­re nach dem Kriegs­ge­sche­hen? Sind sie in den Sog des Erin­ne­rungs­tou­ris­mus gera­ten? Oder wol­len sie ein­fach nur Kriegs­or­te in Frank­reich besuchen?

Zur Stär­kung vor der Tour emp­fiehlt sich in Lil­le erst ein­mal der Besuch der Braue­rei Les 3 bras­seurs in der Nähe des Haupt­bahn­ho­fes. Dort gibt es def­ti­ges Essen. Vie­le trin­ken hier Bier, was zu Lil­le tra­di­tio­nell gehört. Mir ser­viert man Rind­fleisch mit Pom­mes Frit­tes. Frit­ten sind typisch hier. Bel­gi­en ist nahe. Das Rind­fleisch besteht aus ein­zel­nen Stü­cken, die zu einem saf­ti­gen Stück zusam­men­ge­fügt sind. Als Des­sert kommt Eis mit Spe­ku­la­ti­us auf den Tisch. Es gebe nahe Lil­le eine gro­ße Spe­ku­la­ti­us-Fabrik, erklärt man uns. Daher gehör­ten Spe­ku­la­ti­us immer zum Essen. Dann geht es nach Arras.

Ehrenmal in Fromelles

Vie­le Tou­ris­ten strö­men in der Nähe von Arras zu einem neu­en aus­tra­li­schen Ehren­mal von 1998 in Fro­mel­les. Hier ver­lief län­ge­re Zeit die West­front. Aus­tra­li­en muss­te am 23. August 1914 gemein­sam mit den ande­ren Domi­ni­ons Kana­da, Süd­afri­ka und Neu­see­land sowie mit der Kolo­nie Bri­tisch-Indi­en in den Krieg ein­tre­ten. Das Denk­mal zeigt einen breit­bei­nig gehen­den Sol­da­ten mit gebeug­tem Kopf, der einen toten Kame­ra­den auf sei­nen Schul­tern schleppt. Er steht für 5.000 Aus­tra­li­er, die hier in einem über 24 Stun­den dau­ern­den Kampf gegen die Deut­schen im Jah­re 1916 ihr Leben ver­lo­ren. Für vie­le Aus­tra­li­er ist dies bis heu­te eines der schlimms­ten Ereig­nis­se ihrer Geschich­te. Die Män­ner wur­den von Maschinengewehrsalven…

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Renaissance-Fest auf der Grand Place

Renais­sance-Fest auf der Grand Place: Nach Lil­le lockt den Rei­sen­den einer­seits die Aus­sicht mit dem Renais­sance-Fest auf der Grand Place, die Kul­tur­haupt­stadt 2004 mit ande­ren Kul­tur­haupt­städ­ten zu ver­glei­chen. Die in Väs­ter­bot­ten lie­gen­de Stadt Umeå ist seit 2010 schwe­di­sche Kul­tur­haupt­stadt. Aar­hus in Mit­tel­jüt­land setzt die­se Rei­he in Däne­mark 2018 fort. Bei­de Städ­te kennt der Rei­sen­de gut. Denn er reist regel­mä­ßig durch Skandinavien.

Ande­rer­seits wird sich dort vor 500.000 Besu­chern ein Renais­sance-Fest auf der Grand Place abspie­len. Die­ses fin­det fast jedes Jahr statt, selbst aktu­ell in Zei­ten der Coro­na-Pan­de­mie. Erst kurz davor ist der Rei­sen­de mit dem Fahr­rad von Bonn aus auf­ge­bro­chen, um auf 1.100 Kilo­me­tern nicht nur den Nie­der­rhein und den süd­li­chen Teu­to­bur­ger Wald anzu­schau­en. Er woll­te sich auch von der Weser-Renais­sance inspi­rie­ren las­sen. Her­vor­ra­gen­de archi­tek­to­ni­sche Per­len aus dem 15. und 16. Jahr­hun­dert sind zum Bei­spiel das Bre­mer Rat­haus, das Schloss Hämel­schen­burg vor sowie das Rat­ten­fän­ger­haus in Hameln. Renais­sance hat ihn also ziem­lich inspiriert.

Spannung aufs Renaissance-Fest auf der Grand Place

Wer­den die aus Rio, Detroit und Seo­ul ange­reis­ten Akteu­re his­to­ri­sche Gewän­der tra­gen? Durch­strömt Musik aus die­ser Zeit die Stadt? Dort sind auch noch Häu­ser aus Renais­sance und Barock erhal­ten. Wird aus Lite­ra­tur des Renais­sance zitiert? Etwa aus Thea­ter­stü­cken des berühm­ten por­tu­gie­si­schen Dra­ma­ti­kers Gil Vicen­te? Vicen­te ist auch Fran­zo­sen gut bekannt. Por­tu­gie­si­sche Ein­wan­de­rer haben ihn in Frank­reich ein­ge­führt. Vie­le sei­ner Stü­cke wur­den ins Fran­zö­si­sche übersetzt.

Ange­kün­digt ist eine Trans­for­ma­ti­on der his­to­ri­schen Renais­sance in die heu­ti­ge Zeit. Hier nun eini­ge Bei­spie­le vom Renais­sance-Fest auf der Gand Place. Die ent­spre­chen­den Fotos sind oben in der Dia­show zu sehen:

Hier folgt nun ein Aus­schnitt aus dem dem Renais­sance-Fest auf dem Grand Place: God­zil­la steigt am Bahn­hof Gare Lil­le Fland­res in die Luft. Bie­tet der dort star­ten­de gro­ße Umzug Ein­bli­cke ins ame­ri­ka­ni­sche Kino? Wei­te­re Gigan­ten bele­ben das Stadt­bild: hier ein ori­en­ta­li­scher Herr­scher mit Mina­ret­ten auf dem Kopf. Dort zieht ein Kari­be mit Feder­busch durch die Stra­ßen. Ihm folgt ein King Kong ähn­li­cher Goril­la. Die Grand Place bie­tet also reich­lich Gele­gen­heit für ein Foto-Shooting.

Fast wie „Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées“

Die Sze­ne­rie erin­nert an das im Palais des Beaux-Arts hän­gen­de Gemäl­de „Le Bal des Qua­t’­z’arts des­cen­dant les Champs-Ely­sées“. Geor­ge-Antoine Roche­gras­se stellt dar­auf das Künst­ler­fest von 1894 auf den Champs-Ely­sées in Paris dar. Fröh­li­che Men­schen aus fast allen Erd­tei­len der Welt und aus unter­schied­li­chen Epo­chen sind dar­auf abge­bil­det. Die 1890-er Jah­re bil­den den Höhe­punkt des fran­zö­si­schen Impe­ria­lis­mus. Frank­reich erobert gro­ße Gebie­te in Afri­ka und Asi­en und kann damit Eng­land die Stirn bie­ten. Das Bild kann man als Pro­pa­gan­da­bild deu­ten. Nach dem deut­schen Sieg von 1870/71 hat Frank­reich eine neue Iden­ti­tät gefun­den. Es kann sei­nen Natio­nal­stolz in neu­er Iden­ti­tät als Repu­blik und Kolo­ni­al­macht behaupten.

Aus der Vogel­per­spek­ti­ve sind die zusam­men­lau­fen­den Stra­ßen gut zu sehen. Hier­durch zie­hen in der Dun­kel­heit die ers­ten Wagen. Die beglei­ten­de Musik erin­nern an den Kar­ne­val von Rio. Eine Laser­show hüllt Tän­zer und Musi­ker in unwirk­li­che Farben.

Aber mit einer Trans­for­ma­ti­on von der Renais­sance in die Moder­ne hat dies wenig zu tun. Oder?

Unter die­sem Ein­druck führt der Weg ins uri­ge Restau­rant “Au bar­bue d’Anvers”. Dort kann jeder dem Rum­mel gut ent­ge­hen, um sich in Ruhe auf einen wei­te­ren Kul­tur­tag in Lil­le vorzubereiten.

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Abenteuer Museum: LaM in Lille

Aben­teu­er Muse­um: LaM in Lil­le. In gut vier Wochen beginnt die Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft in Frank­reich. Seit gut zwei Wochen stel­le der Rei­sen­de daher die Stadt Lil­le in Nord­frank­reich vor. Dort gas­tiert die deut­sche Nationalmannschaft.

Als der Rei­sen­de heu­te mor­gen das Fern­seh-Pro­gramm nach span­nen­den Bei­trä­gen durch­fors­te­te, dach­te er: Das ist nicht mög­lich. Vor eini­gen Tagen noch bot er ver­schie­de­nen Print-Medi­en eine gro­ße Repor­ta­ge an über die span­nen­de Art der Nord­fran­zo­sen, Kunst dar­zu­stel­len. Den Kunst­hal­len in Flan­dern ist die Hand­schrift der Gestal­ter der Kul­tur­haupt­stadt 2004 anzu­se­hen. Dage­gen kommt die Dar­bie­tung von Kunst in Paris gera­de­zu ver­staubt daher und mitt­ler­wei­le auch man­ches Gebäu­de wie zum Bei­spiel das Cent­re Pom­pi­dou.

LaM in Lille ist ein echtes Schmuckstück

Der Fern­seh­sen­der arte stellt jetzt in Aben­teu­er Muse­um ein ech­tes Schmuck­stück unter den Muse­en Lil­les vor: das „Lil­le Métro­po­le Musée d’art moder­ne“ (LaM). Dass es ein Juwel ist, liegt schon dar­an, dass es in einer von Wie­sen und Wald umsäum­ten Park­land­schaft bei Ville­neuve-d’A­scq liegt. Es gibt nicht vie­le fran­zö­si­sche Muse­en die­ses Typs. Denn die meis­ten lie­gen in den Stadt­zen­tren. Auch die Archi­tek­tur des Gebäu­des ist in Frank­reich etwas Neu­ar­ti­ges. Wie der Rei­sen­de an der Beschrei­bung des Bei­trags gese­hen hat, wer­den die Autoren wohl dar­auf ein­ge­hen. Innen war­tet vor allem moder­ne Kunst auf die Besu­cher. Nicht nur Gemäl­de, son­dern auch Skulp­tu­ren und audio­vi­su­el­le Medi­en gibt es zu bestau­nen. Ganz in der Nähe des LaM liegt gar ein im art-déco errich­te­tes Schwimm­bad. Schwim­mer wird man dort nicht mehr fin­den, dafür aber den Zeit­geist des ers­ten Drit­tels des 20.Jahrhunderts.

Arte zeigt am kom­men­den Sonntag,

15. Mai, 17:35–18:30 Uhr

Aben­teu­er Museum

Das LaM in Lille

Durch­strei­fen & Erle­ben ist gespannt auf den Film. Wer es gar nicht erwar­ten kann, kann vor­ab den Arti­kel “Pro­vinz-Indus­trie­stadt schlägt Haupt­stadt” in der in Wien erschei­nen­den Zei­tung “Die Pres­se” lesen. Dort stellt der Rei­sen­de wich­ti­ge Bestand­tei­le der Kunst-Sze­ne Lil­les in Wort und Bild vor.

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Im schönsten Innenhof Lilles?

Am Grand Place gibt es einen schö­nen Innen­hof, in dem täg­lich auf einem Floh­markt Bücher, Zeit­schrif­ten und Schall­plat­ten ver­kauft wer­den. An zwei Tischen spie­len Män­ner Schach. Sol­che Sze­nen mag ich gerne.

Lille-Innenhof-Flohmarkt

Wäh­rend mei­nes Eras­mus-Stu­di­um in Bar­ce­lo­na bin ich oft in ein Café in der Nähe der Uni­ver­si­tät gegan­gen, wo die Leu­te Schach und Domi­no gespielt haben. Sol­che Cafés sind eine gute Mög­lich­keit, Land und Leu­te ken­nen zu lernen.

Hin­ter dem Innen­hof beginnt die Geschäfts­welt. Es ist gar nicht so lan­ge her, dass die Alt­stadt reno­viert wur­de. „Als die Alt­stadt attrak­tiv wur­de, zogen Luxus­ge­schäf­te in die Rue de la Mon­naie.“ Wie Anne erklärt, gebe es mit der Rue de la Mon­naie und der Rue de la Gran­de- Chaus­sée zwei Haupt­ein­kaufs­stra­ßen. „20 Pro­zent der Kun­den kom­men aus Bel­gi­en der Mode wegen“, erzählt Anne. „Bel­gi­sche Frau­en sagen: Was ich haben will, fin­de ich in Lille.“

In den Geschäf­ten fin­den sich daher auf Bel­gie­rin­nen zuge­schnit­te­ne Klei­der. Aber jeder drit­te Laden scheint auch ein Schuh­ge­schäft zu sein. „Die Geschäf­te sind ein biss­chen teu­er, aber gut.“ Die Mie­te sei hoch hier. Ihre Toch­ter zah­le für 50 Qua­drat­me­ter 800 Euro. Dies hän­ge mit der hohen Nach­fra­ge nach Wohn­raum zusammen.

Bei sol­chen Mie­ten muss man­cher sich das Leben versüßen.Entweder beim Fein­kost­händ­ler mit einem in Jugend­stil aus­ge­stat­te­ten Geschäft oder mit „Cra­mi­que de sucre“, ein süßes Brot mit einer zar­ten brau­nen und mit Zucker über­zo­ge­nen Krus­te; es ent­hält Rosi­nen. In einer Bäcke­rei kos­ten 500 Gramm stol­ze 6,60 Euro.

Fort­set­zung folgt.

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Herzöge von Burgund residierten in Lille

Ande­re Kul­tur­haupt­städ­te wie Graz in der Stei­er­mark hei­ßen Besu­cher direkt in einer schö­nen Alt­stadt will­kom­men. Lil­les Zen­trum hin­ge­gen liegt im Bahn­hofs­vier­tel, wo inter­na­tio­na­le und regio­na­le Züge ein­tref­fen. Die durch Tuch­han­del berühm­te Stadt befin­det sich in der Regi­on Flan­dern im Nor­den Frank­reichs an der bel­gi­schen Gren­ze. Der Weg vom dort lie­gen­den Hotel ins Zen­trum dau­ert aber nur weni­ge Minu­ten. Frem­den­füh­re­rin Anne führt eine Grup­pe deut­scher Jour­na­lis­ten in die Stadt­ge­schich­te ein. Sie beginnt eine Zeit­rei­se ins spä­te Mit­tel­al­ter, als die Her­zö­ge von Bur­gund in Lil­le residierten.

Private Kapelle der Herzogin Maria

Die­se führt zuerst in eine pri­va­te Kapel­le der Her­zo­gin Maria von Bur­gund. Erbaut wur­de die­se von 1450 bis 1470. Nach­ge­wie­sen ist, dass Maria dort bete­te. Das innen fast schmuck­lo­se, Gebäu­de befin­det sich im ehe­ma­li­gen Rat­haus der Stadt. Heu­te sitzt dort die Tou­ris­ten-Info. Das Rat­haus hieß im 15. Jahr­hun­dert Palais Rihour.

Die­ser Palast war Resi­denz der Her­zö­ge von Bur­gund. Karl der Küh­ne, Her­zog von Bur­gund, starb 1477. Dann hat sei­ne Toch­ter Maria von Bur­gund den Erz­her­zog Maxi­mi­li­an von Öster­reich gehei­ra­tet. Maria war eine der bes­ten Par­tien Euro­pas. Denn sie besaß das Her­zog­tum. Die bur­gun­di­sche Erb­schaft war wich­tig. Denn so konn­te das Haus Habs­burg zur Welt­macht auf­stei­gen. Lil­le gehör­te jetzt zu Österreich.

3sat zeigt hin und wie­der die gute Ver­fil­mung “Maxi­mi­li­an — Das Spiel von Macht und Lie­be”. Es gelingt, die Gescheh­nis­se auf wich­tigs­te Ereig­nis­se zu Beginn der Regent­schaft des letz­ten Rit­ters zu reduzieren.

Sehens­wert in der Sakris­tei sind Blei­glas­fens­ter aus dem 16. Jahr­hun­dert. Ursprüng­lich befan­den sie sich in der Kir­che Saint-Pierre in La Cou­ture nahe Lil­le. Eines zeigt Figu­ren aus dem Alten Tes­ta­ment wie zum Bei­spiel König David. Ein ande­res Fens­ter zeigt einen Mönch, ein wei­te­res einen Bischof.

wei­ter

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