Erinnerungslinde für Gefallene: In die gleiche Richtung weist eine Tafel im Teutoburger Wald am dortigen Soldatenfriedhof im Brumleytal. Der Hermannsweg führt Wanderer nahe daran vorbei bis ins malerische Tecklenburg. Vier Wochen vor Kriegsende findet hier am 3. April 1945 ein Kampf zwischen englischen und deutschen Soldaten statt. 114 Briten und 43 Deutsche fielen. „Nie sollst du vergessen, wie teuflisch vermessen ein Krieg immer ist.“ Diesen Satz hat der Riesenbecker Heimatforscher Johannes Oechtering verfasst. Es ist wohl die einzige Inschrift auf einer Tafel im Münsterland, in der der Krieg verurteilt wird.
In Wormbach nahe Schmallenberg im Sauerland ist der Versuch einer Sinngebung des Soldatentodes völlig aufgegeben. Auf dem an der alten Kirche St. Peter und Paul liegenden Friedhof gewannen die während des Dreißigjährigen Krieges gepflanzten Linden besondere Bedeutung.
Denn Pfarrer August Rüsing ordnete, bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach, jeder Familie des Ortes eine Linde zu. Den jungen Männer versprach er: „Solltet Ihr im Krieg in fremden Landen fallen, so wird ein Kreuz mit eurem Namen zur Erinnerung an eure Linde gehängt.“ Wie das wohl gewirkt hat! Bis heute hängen 36 Kreuze an den Linden des Wormbacher Kirchhofs. Kein Gedenkstein ist zu sehen, kein Sinngebungsversuch erfolgt. Die Sprache verstummt vor jeder Erinnerungslinde für gefallene Soldaten.
Bewachte Gräber statt Erinnerungslinde für Gefallene
Zurück nach Nordfrankreich: Eine Erinnerungslinde für gefallene Soldaten gibt es dort nicht. Stattdessen müssen auf dem Friedhof Notre-Dame-de-Lorette bei Ablaint-Saint-Nazaire im Raum Lille freiwillige „Veteranen“ die Gräber von Gefallenen des Ersten Weltkriegs bewachen. Denn es haben bereits Grabschändungen stattgefunden. Es gibt hier ein muslimisches Gräberfeld mit 576 Gräbern. Die Soldaten aus den französischen Kolonien, oft aus Marokko geholt, sind nach muslimischem Ritus bestattet. Dabei erwartet man an sich, Totenruhe gelte religionsübergreifend. Das Tor zu diesem Friedhof wird aber abends geschlossen.
Größtes Lager für Kriegsgefangene: Zum Vergleich nach Deutschland, um zu sehen, wie man dort während des Krieges und danach Friedhöfe und Denkmäler gestaltete: In Nienberge nahe Münster befand sich während des Ersten Weltkrieges das größte Gefangenenlager Nordwestdeutschlands, heute als Haus Spital bekannt. Nur vereinzelt kommen Besucher. Einsam liegt die im Volksmund „Russenfriedhof“ genannte Kriegsgräberstätte, umgeben von Platanen und heimischen Laubbäumen. „Requiescant in pace“ — „Sie mögen ruhen in Frieden“ — steht am doppelflügeligen Eingangstor. Auch die griechischen Buchstaben Alpha und Omega, Anfang und Ende, sind zu sehen. Christus steht an Anfang und Ende allen Seins, umfasst also die Weltgeschichte. Alles ruht in Gottes Hand. Von deutschen Soldaten bewacht, ordneten Gefangene aus England, Russland, Belgien, Italien und Frankreich ihre Angelegenheiten selbst, alle Berufe waren vertreten.
Für die Kranken wurde ein Lazarett eingerichtet, für die Toten ein eigener Friedhof. 770 Namen französischer, belgischer und russischer Kriegsgefangener sind auf einer Gedenksäule und auf Tafeln eingemeißelt. Franzosen, Belgier, Engländer und Italiener wurden umgebettet, jetzt liegen hier noch Russen, Polen, Ukrainer, Wolgadeutsche und ein indischer Stammesfürst. In Zusammenarbeit mit dem Lagerkommandanten gestaltete der Architekt Duthoit die Anlage. Er stammte aus Lille. Er entwarf selbst Form und Beschriftung jedes Einzelteils. Dafür standen ihm die Steinmetze und Schmiede unter den Gefangenen zur Verfügung. Auf einem Gedenkstein steht „Pro Patria“.
Erinnerungstourismus gibt es nicht. Aber die katholische Gemeinde St. Sebastian gedenkt der Gestorbenen an den Totengedenktagen im November.
„Den Toten zur Ehre“
Ganz in der Nähe steht an der Dorfkirche St. Sebastian in Nienberge bei Münster ein künstlerisch wertvolles Kriegerdenkmal. Selten bleibt jemand hier stehen. Nur am Volkstrauertag (immer zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag) gedenkt die Soldatenkameradschaft der Gefallenen beider Weltkriege.
Dargestellt ist ein Genius. Er ist mit einer Hand gefesselt an einem seiner Krone beraubten Eichbaum. Er beugt sich gramvoll zu einem toten Soldaten in deutscher Uniform nieder. Die andere freie Hand streckt er ihm entgegen. Neben dem Soldaten liegt ein Stahlhelm. Unter ihm ist Munition zu sehen. Den Tornister trägt er noch auf dem Rücken. Die Inschrift des 1921 errichteten Denkmals lautet in großen Lettern: „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung“.
Niemand ruft mit diesem Monument auf, politisch zu handeln. Der Genius kommt von links wie der Engel der Verkündigung auf mittelalterlichen Darstellungen. Die Mahnung liegt sowohl im gefesselten Genius als auch in der gekürzten Eiche — bildhafte Symbole für das damalige Deutschland um 1921. Keiner wusste kurz nach Gründung der Weimarer Republik und dem Diktat des Versailler Vertrages, wie es weitergehen sollte. Der Genius ist nicht religiös gebunden. Er steht über allen Dingen und ist unparteiisch. Auch Linden waren symbolisch im Krieg.
Soldatengräber Prediger des Friedens: Auf dem größten deutschen Soldatenfriedhof Frankreichs, Neuville Saint Vaast bei Arras, streift eine Gruppe von gut 20, zum Teil tätowierten, relativ jungen Besuchern aus Schottland über Wege und Rasenflächen. Ob sie auch den Satz Albert Schweitzers „Die Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens“ gesehen haben? Diese Aussage steht auf einer Tafel im Eingangstor. Dort erhebt sich auch eine Jesusstatue. Christus steht in der Osternacht aus seinem Grab auf und trägt die Fahne des Sieges über den Tod. Der Tod auf dem Schlachtfeld sollte nicht das Ende bedeuten. Einer geschlagenen Nation sollte dies neue Hoffnung aus christlichem Glauben geben.
In Neuville Saint Vaast ruhen 44.833 deutsche Soldaten. Auf ihren Gräbern stehen schmucklose schwarze Metallkreuze auf gepflegtem Rasen, umgeben von uralten Bäumen. Auf den Kreuzen sind Regiment, Name sowie das Geburts- und Todesdatum der Gefallenen verzeichnet. Schlichte und asketische Stimmung sollte so ausgedrückt werden. Die Denkmäler, die man nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 errichtet hatte, wurden als überladen und pompös empfunden.
“Ich hatt’ einen Kameraden”
Einige unter den jungen schottischen Besuchern haben ein Massengrab entdeckt, in dem 7.000 deutsche Soldaten liegen. Auf einer Steinplatte steht, dass ihre Namen unbekannt seien. „Das ist traurig“, sagt einer von ihnen. Ihm werde die Größe des Leids und die Sinnlosigkeit der Kampfhandlungen hierdurch besonders klar. Die Schotten finden auf dem Friedhof auch den Vers „Ich hatt’ einen Kameraden, einen Bessern findst Du nicht“. Er steht auf einem Gedenkstein. Über dem Vers ist ein eisernes Kreuz in den Stein gemeißelt. Er stammt aus einem bekannten Soldatenlied, gesungen während der gegen Napoleon geführten Befreiungskriege Anfang des 19. Jahrhunderts, heute noch gesungen am Volkstrauertag und auf Trauerfeiern für gefallene Soldaten.
Das eiserne Kreuz hat Schinkel zur Zeit der Befreiungskriege entworfen. Gedacht wird hier der fürs Vaterland gefallenen Kameraden. Der Friedhof wirkt aus heutiger Sicht durch dieses Arrangement versöhnlich: Der Tod ist überwunden. Christus hat über ihn gesiegt: Es gibt Hoffnung auf Auferstehung. Nun soll der Friede bewahrt bleiben. Immerhin durften auf dem Gedenkstein die Sätze „Gefallen fürs Vaterland“ und der Vers des Liedes aus den Befreiungskriegen verwendet werden; dies spricht für viel Toleranz der Franzosen schon kurz nach dem Krieg. Zum Vergleich nun von Frankreich nach Deutschland.
Rudard Kipling gestaltete Gedenkstein: Die Anlage entspricht dem Grundplan englischer Friedhöfe: Um ein Opferkreuz und einen Gedenkstein im Mittelpunkt gruppieren sich die Gräber. Der schwere massive Gedenkstein ist wie ein Altar geformt, ein Symbol für den Opfertod. Die Inschrift lautet: „Their name liveth for evermore“ (Der Name der Gefallenen lebt auf ewig fort). Rudyard Kipling, der der 1916 gegründeten britischen Kriegsgräber-Organisation angehörte, hat diesen Vers dem Buch Sirach entnommen. Rudyard Kipling gestaltete den Gedenkstein. Die Seele der Toten weilt demnach hier, auch wenn niemand weiß, wo der Soldat gestorben ist. Und ihre Namen sind das, was bleibt; das bedeutet etwas in Großbritannien.
Schwierig ist die Deutung des daneben stehenden Kreuzes. Ein Kreuz oder ein Schwert sind in es eingearbeitet. Kipling deutet es als „ein starres Schwert, das im Schoß des Kreuzes hing, dessen Symbolik unbestimmt war.“ Man kann es als Kriegsopfer und als Hoffnung auf die Auferstehung deuten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich ein radikaler Wandel der Erinnerungskultur an die Kriegsgeschehnisse. Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatspräsident FrançoisMitterand setzten sich für Versöhnung zwischen den ehemaligen Feinden ein.
Architekten gestalteten Soldatenfriedhöfe: Nur wenige Schritte vom Denkmal entfernt liegt ein weiterer Friedhof: „Le Trou Aid Post Cemetery“ von Fleurbaix. Hier liegen 356 Soldaten des Commonwealth begraben. Dieser Friedhof wurde von Sir Herbert Baker entworfen, der auch die Pläne für das indische Parlament in Delhi und die heutige Residenz des südafrikanischen Präsidenten in Pretoria gezeichnet hat. Kurz nach dem Krieg rief man die renommiertesten britischen Architekten auf, eine Umgestaltung der Militärfriedhöfe des Empires zu planen.
Über eine steinerne Brücke betreten Besucher das Torhäuschen aus Naturstein. Jeder soll sich hier so fühlen wie beim Eintritt in eine abgeschiedene Welt. In der Halle tragen sich viele der Gäste ins offene Besucherbuch ein. Auf jeder Seite findet man mindestens zehn Namen. Manche kommen aus West Yorkshire, Manchester, London und Kairo, sogar aus Griffith und Sydney in Australien. Selbst Rudyard Kipling, der Schöpfer des Dschungelbuchs, spielt hier eine Rolle.
Kriegsorte in Frankreich besuchen: Als der Reisende zur Pressereise „Wege der Erinnerung 1914 — 1918“ eingeladen wurde, fühlte er sich hin- und hergerissen. Das Programm versprach nur Beklemmendes. Denn es sollte drei Tage lang über Soldatenfriedhöfe, durch Museen und zu Schauplätzen des Ersten Weltkrieges gehen. Für Militärgeschichte interessierte er sich aber während seines Geschichtsstudiums nie. Es gibt Spezialisten, die sich ungewöhnlich gut mit Heeresbewegungen, Waffen, Militärfahrzeugen auskennen und nahezu jedes Datum der Schlachten aufzählen können. Warum auch immer!
Auf Flohmärkten gibt es Bücher über Generäle, Panzerdivisionen und Kriegsschiffe. Nur einmal kaufte er sich solch ein Werk, weil ihm ein befreundeter Fotograf in der Nähe von Tromsø die Stelle zeigte, an der das Wrack der Tirpitz liegt, Hitlers Lieblingsschiff. Britische Bomber versenkten das Schiff in Nordnorwegen. Es war beklemmend, zum Beispiel Uniformteile in einem Museum zu sehen, die einst deutschen Seeleuten gehört hatten.
Kriegsorten bieten spannende Geschichten
Er kennt auch Gibraltar im Süden Spaniens. Der heutige Affenfelsen nahm einst eine wichtige strategische Stellung zur Kontrolle des Mittelmeeres ein. Bis heute erinnert er sich gerne an den britischen Kriegsveteranen, der ihm erzählte, dass er einst auf Gibraltar als Pilot gearbeitet habe. Deutsche hätten sein Flugzeug abgeschossen. Oder an den Bericht des Kapitäns: Dieser zeigte Delfine und erzählte dabei, wie spannend ein Roman über britische und deutsche Spione in der Bucht am Felsen gewesen sei. Geschichte aus anderer Perspektive.
Die dort gemachten Erfahrungen verlocken den Reisenden nun wieder loszufahren, um Kriegsschauplätze in Frankreich zu besuchen. Er will das mit eigenen Augen sehen, was er nur aus den Geschichtsbüchern kennt. Er will mit Menschen sprechen, die dort leben. Und er wird später solche Besuche nachbereiten, indem er Literatur darüber liest. Die Reaktion, der Besuch solcher Stätten sei langweilig, kann er nicht nachvollziehen. Angesichts hoher Besucherzahlen auf Soldatenfriedhöfen und an anderen Stätten — Erinnerungstourismus — steht er mit dieser Meinung nicht allein. Denn solche Stätten hängen oft mit der deutschen Geschichte zusammen.
Die Folgen solcher Kriege, das Leiden der Menschen, die Nutzlosigkeit, dürfen nie in Vergessenheit geraten. Die Ursachen für Konflikte müssen untersucht, Lösungen zur Vermeidung gefunden werden. Denn hinter spannenden Geschichten von Zeitzeugen steckt oft großes Elend.
Erinnerungstourismus in Nordfrankreich
Scharen von Touristen – vorwiegend aus Australien und Kanada – rollen täglich vor die Friedhöfe für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in Nordfrankreich. Sie nehmen dafür über 20-stündige Flüge von Sydney oder Vancouver nach Paris in Kauf. Auch viele Briten sind unter den Besuchern. Was suchen all diese Menschen in der Region Nord-Pas-de-Calais, fast hundert Jahre nach dem Kriegsgeschehen? Sind sie in den Sog des Erinnerungstourismus geraten? Oder wollen sie einfach nur Kriegsorte in Frankreich besuchen?
Rathaus von Arras
Rettung eines Soldaten
Australisches Bunkerdenkmal im Australien Memorial Park Fromelles nahe Arras.
Zur Stärkung vor der Tour empfiehlt sich in Lille erst einmal der Besuch der Brauerei Les 3 brasseurs in der Nähe des Hauptbahnhofes. Dort gibt es deftiges Essen. Viele trinken hier Bier, was zu Lille traditionell gehört. Mir serviert man Rindfleisch mit Pommes Frittes. Fritten sind typisch hier. Belgien ist nahe. Das Rindfleisch besteht aus einzelnen Stücken, die zu einem saftigen Stück zusammengefügt sind. Als Dessert kommt Eis mit Spekulatius auf den Tisch. Es gebe nahe Lille eine große Spekulatius-Fabrik, erklärt man uns. Daher gehörten Spekulatius immer zum Essen. Dann geht es nach Arras.
Ehrenmal in Fromelles
Viele Touristen strömen in der Nähe von Arras zu einem neuen australischen Ehrenmal von 1998 in Fromelles. Hier verlief längere Zeit die Westfront. Australien musste am 23. August 1914 gemeinsam mit den anderen Dominions Kanada, Südafrika und Neuseeland sowie mit der Kolonie Britisch-Indien in den Krieg eintreten. Das Denkmal zeigt einen breitbeinig gehenden Soldaten mit gebeugtem Kopf, der einen toten Kameraden auf seinen Schultern schleppt. Er steht für 5.000 Australier, die hier in einem über 24 Stunden dauernden Kampf gegen die Deutschen im Jahre 1916 ihr Leben verloren. Für viele Australier ist dies bis heute eines der schlimmsten Ereignisse ihrer Geschichte. Die Männer wurden von Maschinengewehrsalven…
Orientalischer Herrscher mit Minaretten auf dem Kopf
Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées
Umzugswagen wie an Karneval
Umzugswagen wie an Karneval
Umzug in den Straßen
Ein King Kong ähnlicher Gorilla
Godzilla steigt am Bahnhof Gare Lille Flandres in die Luft. Bietet der dort startende große Umzug Einblicke ins amerikanische Kino?
Karibe mit Federbusch
Renaissance-Fest auf der Grand Place: Nach Lille lockt den Reisenden einerseits die Aussicht mit dem Renaissance-Fest auf der Grand Place, die Kulturhauptstadt 2004 mit anderen Kulturhauptstädten zu vergleichen. Die in Västerbotten liegende Stadt Umeå ist seit 2010 schwedische Kulturhauptstadt. Aarhus in Mitteljütland setzt diese Reihe in Dänemark 2018 fort. Beide Städte kennt der Reisende gut. Denn er reist regelmäßig durch Skandinavien.
Andererseits wird sich dort vor 500.000 Besuchern ein Renaissance-Fest auf der Grand Place abspielen. Dieses findet fast jedes Jahr statt, selbst aktuell in Zeiten der Corona-Pandemie. Erst kurz davor ist der Reisende mit dem Fahrrad von Bonn aus aufgebrochen, um auf 1.100 Kilometern nicht nur den Niederrhein und den südlichen Teutoburger Wald anzuschauen. Er wollte sich auch von der Weser-Renaissance inspirieren lassen. Hervorragende architektonische Perlen aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind zum Beispiel das Bremer Rathaus, das Schloss Hämelschenburg vor sowie das Rattenfängerhaus in Hameln. Renaissance hat ihn also ziemlich inspiriert.
Spannung aufs Renaissance-Fest auf der Grand Place
Werden die aus Rio, Detroit und Seoul angereisten Akteure historische Gewänder tragen? Durchströmt Musik aus dieser Zeit die Stadt? Dort sind auch noch Häuser aus Renaissance und Barock erhalten. Wird aus Literatur des Renaissance zitiert? Etwa aus Theaterstücken des berühmten portugiesischen Dramatikers Gil Vicente? Vicente ist auch Franzosen gut bekannt. Portugiesische Einwanderer haben ihn in Frankreich eingeführt. Viele seiner Stücke wurden ins Französische übersetzt.
Angekündigt ist eine Transformation der historischen Renaissance in die heutige Zeit. Hier nun einige Beispiele vom Renaissance-Fest auf der Gand Place. Die entsprechenden Fotos sind oben in der Diashow zu sehen:
Hier folgt nun ein Ausschnitt aus dem dem Renaissance-Fest auf dem Grand Place: Godzilla steigt am Bahnhof Gare Lille Flandres in die Luft. Bietet der dort startende große Umzug Einblicke ins amerikanische Kino? Weitere Giganten beleben das Stadtbild: hier ein orientalischer Herrscher mit Minaretten auf dem Kopf. Dort zieht ein Karibe mit Federbusch durch die Straßen. Ihm folgt ein King Kong ähnlicher Gorilla. Die Grand Place bietet also reichlich Gelegenheit für ein Foto-Shooting.
Fast wie „Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées“
Die Szenerie erinnert an das im Palais des Beaux-Arts hängende Gemälde „Le Bal des Quat’z’arts descendant les Champs-Elysées“. George-Antoine Rochegrasse stellt darauf das Künstlerfest von 1894 auf den Champs-Elysées in Paris dar. Fröhliche Menschen aus fast allen Erdteilen der Welt und aus unterschiedlichen Epochen sind darauf abgebildet. Die 1890-er Jahre bilden den Höhepunkt des französischen Imperialismus. Frankreich erobert große Gebiete in Afrika und Asien und kann damit England die Stirn bieten. Das Bild kann man als Propagandabild deuten. Nach dem deutschen Sieg von 1870/71 hat Frankreich eine neue Identität gefunden. Es kann seinen Nationalstolz in neuer Identität als Republik und Kolonialmacht behaupten.
Aus der Vogelperspektive sind die zusammenlaufenden Straßen gut zu sehen. Hierdurch ziehen in der Dunkelheit die ersten Wagen. Die begleitende Musik erinnern an den Karneval von Rio. Eine Lasershow hüllt Tänzer und Musiker in unwirkliche Farben.
Aber mit einer Transformation von der Renaissance in die Moderne hat dies wenig zu tun. Oder?
Unter diesem Eindruck führt der Weg ins urige Restaurant “Au barbue d’Anvers”. Dort kann jeder dem Rummel gut entgehen, um sich in Ruhe auf einen weiteren Kulturtag in Lille vorzubereiten.
Abenteuer Museum: LaM in Lille. In gut vier Wochen beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Seit gut zwei Wochen stelle der Reisende daher die Stadt Lille in Nordfrankreich vor. Dort gastiert die deutsche Nationalmannschaft.
Als der Reisende heute morgen das Fernseh-Programm nach spannenden Beiträgen durchforstete, dachte er: Das ist nicht möglich. Vor einigen Tagen noch bot er verschiedenen Print-Medien eine große Reportage an über die spannende Art der Nordfranzosen, Kunst darzustellen. Den Kunsthallen in Flandern ist die Handschrift der Gestalter der Kulturhauptstadt 2004 anzusehen. Dagegen kommt die Darbietung von Kunst in Paris geradezu verstaubt daher und mittlerweile auch manches Gebäude wie zum Beispiel das Centre Pompidou.
LaM in Lille ist ein echtes Schmuckstück
Der Fernsehsender arte stellt jetzt in Abenteuer Museum ein echtes Schmuckstück unter den Museen Lilles vor: das „Lille Métropole Musée d’art moderne“ (LaM). Dass es ein Juwel ist, liegt schon daran, dass es in einer von Wiesen und Wald umsäumten Parklandschaft bei Villeneuve-d’Ascq liegt. Es gibt nicht viele französische Museen dieses Typs. Denn die meisten liegen in den Stadtzentren. Auch die Architektur des Gebäudes ist in Frankreich etwas Neuartiges. Wie der Reisende an der Beschreibung des Beitrags gesehen hat, werden die Autoren wohl darauf eingehen. Innen wartet vor allem moderne Kunst auf die Besucher. Nicht nur Gemälde, sondern auch Skulpturen und audiovisuelle Medien gibt es zu bestaunen. Ganz in der Nähe des LaM liegt gar ein im art-déco errichtetes Schwimmbad. Schwimmer wird man dort nicht mehr finden, dafür aber den Zeitgeist des ersten Drittels des 20.Jahrhunderts.
Arte zeigt am kommenden Sonntag,
15. Mai, 17:35–18:30 Uhr
Abenteuer Museum
Das LaM in Lille
Durchstreifen & Erleben ist gespannt auf den Film. Wer es gar nicht erwarten kann, kann vorab den Artikel “Provinz-Industriestadt schlägt Hauptstadt” in der in Wien erscheinenden Zeitung “Die Presse” lesen. Dort stellt der Reisende wichtige Bestandteile der Kunst-Szene Lilles in Wort und Bild vor.
Am Grand Place gibt es einen schönen Innenhof, in dem täglich auf einem Flohmarkt Bücher, Zeitschriften und Schallplatten verkauft werden. An zwei Tischen spielen Männer Schach. Solche Szenen mag ich gerne.
Während meines Erasmus-Studium in Barcelona bin ich oft in ein Café in der Nähe der Universität gegangen, wo die Leute Schach und Domino gespielt haben. Solche Cafés sind eine gute Möglichkeit, Land und Leute kennen zu lernen.
Hinter dem Innenhof beginnt die Geschäftswelt. Es ist gar nicht so lange her, dass die Altstadt renoviert wurde. „Als die Altstadt attraktiv wurde, zogen Luxusgeschäfte in die Rue de la Monnaie.“ Wie Anne erklärt, gebe es mit der Rue de la Monnaie und der Rue de la Grande- Chaussée zwei Haupteinkaufsstraßen. „20 Prozent der Kunden kommen aus Belgien der Mode wegen“, erzählt Anne. „Belgische Frauen sagen: Was ich haben will, finde ich in Lille.“
In den Geschäften finden sich daher auf Belgierinnen zugeschnittene Kleider. Aber jeder dritte Laden scheint auch ein Schuhgeschäft zu sein. „Die Geschäfte sind ein bisschen teuer, aber gut.“ Die Miete sei hoch hier. Ihre Tochter zahle für 50 Quadratmeter 800 Euro. Dies hänge mit der hohen Nachfrage nach Wohnraum zusammen.
Bei solchen Mieten muss mancher sich das Leben versüßen.Entweder beim Feinkosthändler mit einem in Jugendstil ausgestatteten Geschäft oder mit „Cramique de sucre“, ein süßes Brot mit einer zarten braunen und mit Zucker überzogenen Kruste; es enthält Rosinen. In einer Bäckerei kosten 500 Gramm stolze 6,60 Euro.
Andere Kulturhauptstädte wie Graz in der Steiermark heißen Besucher direkt in einer schönen Altstadt willkommen. Lilles Zentrum hingegen liegt im Bahnhofsviertel, wo internationale und regionale Züge eintreffen. Die durch Tuchhandel berühmte Stadt befindet sich in der Region Flandern im Norden Frankreichs an der belgischen Grenze. Der Weg vom dort liegenden Hotel ins Zentrum dauert aber nur wenige Minuten. Fremdenführerin Anne führt eine Gruppe deutscher Journalisten in die Stadtgeschichte ein. Sie beginnt eine Zeitreise ins späte Mittelalter, als die Herzöge von Burgund in Lille residierten.
Private Kapelle der Herzogin Maria
Diese führt zuerst in eine private Kapelle der Herzogin Maria von Burgund. Erbaut wurde diese von 1450 bis 1470. Nachgewiesen ist, dass Maria dort betete. Das innen fast schmucklose, Gebäude befindet sich im ehemaligen Rathaus der Stadt. Heute sitzt dort die Touristen-Info. Das Rathaus hieß im 15. Jahrhundert Palais Rihour.
Dieser Palast war Residenz der Herzöge von Burgund. Karl der Kühne, Herzog von Burgund, starb 1477. Dann hat seine Tochter Maria von Burgund den Erzherzog Maximilian von Österreich geheiratet. Maria war eine der besten Partien Europas. Denn sie besaß das Herzogtum. Die burgundische Erbschaft war wichtig. Denn so konnte das Haus Habsburg zur Weltmacht aufsteigen. Lille gehörte jetzt zu Österreich.
3sat zeigt hin und wieder die gute Verfilmung “Maximilian — Das Spiel von Macht und Liebe”. Es gelingt, die Geschehnisse auf wichtigste Ereignisse zu Beginn der Regentschaft des letzten Ritters zu reduzieren.
Sehenswert in der Sakristei sind Bleiglasfenster aus dem 16. Jahrhundert. Ursprünglich befanden sie sich in der Kirche Saint-Pierre in La Couture nahe Lille. Eines zeigt Figuren aus dem Alten Testament wie zum Beispiel König David. Ein anderes Fenster zeigt einen Mönch, ein weiteres einen Bischof.