Weit draußen im Atlantik

Weit drau­ßen im Atlan­tik: Wisst ihr, dass Por­tu­gal mehr ist als nur der schma­le Strei­fen auf der Ibe­ri­schen Halbinsel?

Der Staat besitzt weit weg im Atlan­tik klei­ne Inseln, die noch aus der Kolo­ni­al­zeit übrig geblie­ben sind. Nach und nach fie­len die Kolo­nien ab. Oder sie wur­den von ande­ren Natio­nen über­nom­men wie klei­ne Han­dels­stütz­punk­te in Asi­en, Bra­si­li­en. Spä­ter folg­ten noch Ango­la und Mosambik.

Übrig geblie­ben aus Über­see ist Madei­ra. Vor eini­ger Zeit durf­te der Rei­sen­de auf Ein­la­dung die Insel besu­chen. Ihn berühr­te die scheue, fast devo­te Art der Bewoh­ner, der er zum ers­ten Mal in einem süd­eu­ro­päi­schen Land begeg­ne­te. Die Men­schen schie­nen sich dort fast unsicht­bar zu machen. Por­tu­gie­sen sind ohne­hin die ruhigs­ten Bewoh­ner Süd­eu­ro­pas. Dies war das Ein­drucks­volls­te, wor­an sich der Rei­sen­de erin­nert, was Por­tu­gal angeht. Unerwartet!

Reporterin des Telegraph auf Madeira

Auch die eng­li­sche Zei­tung “The Tele­graph” hat sich Madei­ra ange­schaut. Lasst euch über­ra­schen, was Repor­te­rin Sarah Bax­ter beson­ders auf­ge­fal­len ist. Sie fängt ihren leben­dig ver­fass­ten Arti­kel über Madei­ra dra­ma­tisch an. Der Wind schüt­tel­te das Flug­zeug beim Anflug auf den Flug­ha­fen Cris­tia­no Ronal­do. Ihr Fens­ter füll­te sich mit blau­er Dünung und wei­ßen Pfer­den. Sie sah also die Far­ben des Atlan­tiks. Die Lan­dung nahm dann aber wie­der die rich­ti­ge Rich­tung an. Dabei rüt­tel­te der Wind das Flug­zeug noch an den Sei­ten. Dann sah sie die Lan­de­bahn auf Pfei­lern im Meer, „expo­niert und gefährlich“.

Der Pilot habe die Pas­sa­gier­ma­schi­ne in Posi­ti­on gebracht. Näher und näher sei die Maschi­ne ihrem Ziel gekom­men, bei­na­he schon da – doch dann. Mit einem letz­ten Schub der Maschi­ne sei alle an Bord auf­wärts getor­kelt, wie­der an den Him­mel gebun­den. Der Das Tisch­ge­stell trat zurück. Dies­mal gewann das Wet­ter. Es brauch­te eini­ge Ver­su­che, um den Cris­tia­no Ronal­do-Flug­ha­fen anzu­flie­gen, ein Begriff so trick­reich wie die Füße des Namens­ge­bers. Der Flug­ha­fen ist bekannt als eines der schwie­rigs­ten Lan­de­ge­bie­te der Welt, schreibt Bax­ter. Dies lie­ge an den die Lan­de­bahn peit­schen­den Quer­win­den. Dies erschei­ne ganz als gegen­sätz­li­che Ein­füh­rung in eine Insel, die häu­fig als ruhig, kon­ven­tio­nell, viel­leicht sogar nett-aber-lang­wei­lig gel­te. Wie auch immer, die­se Vor­stel­lung wer­de gera­de herausgefordert.

All die guten Din­ge über Madei­ra exis­tier­ten noch – die Sicher­heit, Gast­freund­lich­keit, exo­ti­sche Blu­men, gera­de drei Stun­den von der Hei­mat ent­fernt. Aber eine neue Kam­pa­gne, Madei­ra Oce­an Trails, beab­sich­ti­ge die Mög­lich­kei­ten zum Aktiv­ur­laub her­vor­zu­he­ben, spe­zi­ell die wach­sen­de Zahl der Pfad­läu­fer und Wanderer.

Wandern und Extremsport

Topo­gra­phisch fal­le Madei­ra kon­stant über sich selbst – sie sei ein Knüp­pel vul­ka­ni­schen Basalts, wil­des Grün, tie­fe Mul­den und knor­ri­ge Berg­ket­ten; es sei kaum ein fla­ches Stück zu fin­den. Jetzt wer­de die­ses Ter­rain erkannt als per­fek­ter Spiel­platz für die­je­ni­gen, die Aben­teu­er zu >Fuß suchten.

So, fade? Kei­ne Chan­ce. Die Insel – wie auch deren Flug­ha­fen – sei pas­send, um einen seit­wärts zu klop­fen. Extrem­sport sei nicht neu für Madei­ra. Seit Mit­te des 19. Jahr­hun­derts die Ein­hei­mi­schen der Nach­bar­schaft des Mon­te sei­en mit Korb­schlit­ten die stei­len Gas­sen hin­un­ter in die Haupt­stadt Fun­chal heruntergekommen.

Ernest Heming­way – ein Mann, nicht unver­traut mit der Suche nach Span­nung – bezeich­ne­te dies als „anre­gend“. Heu­te stroh­be­deck­te Fuß­we­ge (car­rei­ros) steu­er­ten noch hei­te­re Tou­ris­ten her­un­ter in die­sen Ham­mern auf Ski­er, dabei Geschwin­dig­kei­ten bis zu 50 Stun­den­ki­lo­me­ter errei­chend. „Ich sah von oben, wie sich die Fah­rer abstie­ßen, ihre flat­tern­den wei­ßen Hosen, vor Freu­de keu­chen­de Fluggäste.

Vor­bei an den Rod­lern ent­schied sich die Autorin für eine All­rad-Tour, um die Boden­wel­len Madei­ras bes­ser ken­nen­zu­ler­nen. Am Rad war ihr Füh­rer Ricar­do Car­val­ho, anschei­nend halb Mann, halb Jeep, so har­mo­nisch sei er mit sei­nem Fahr­zeug ver­schmol­zen. Sie habe sich gefragt, ob, gera­de wie Pilo­ten benö­ti­gen ein Extra-Trai­ning, um auf dem Flug­ha­fen zu lan­den, Fah­rer mögen errei­chen eine Zusatz­qua­li­fi­ka­ti­on, um die Stra­ßen anzugreifen.

Eini­ge „Stra­ßen“ sei­en kaum als sol­che zu bezeich­nen – sie sei­en eher Ski­pis­ten. Aber Ricar­do sei gelas­sen gewe­sen, als er sie auf Tour im Osten der Insel genom­men habe, schwin­gend wie im Flug um fie­se Ecken, hupend, Bana­nen­stau­den „bürs­tend“, fast abwei­dend die Sei­ten der an den Hügeln lie­gen­den Häu­ser. „Grif­fe und Brem­sen“, zitiert sie Ricar­do, „erset­zen wir ständig.“

Steile Hänge für Bauern

Mit dem Fahr­zeug sei­en so Euka­lyp­tus- und Pini­en­wäl­der belebt wor­den, vor­bei an Mimo­sen, exo­ti­schem Bam­bus und Zucker­rohr. Eben­so sei­en land­schaft­li­che Abkür­zun­gen über Hügel, wo schwin­del­erre­gen­de Ter­ras­sen Kar­tof­feln, Broc­co­li, Brun­nen­kres­se und Reben nähr­ten, gemeis­tert wor­den. Es muss unglaub­lich guter Boden für die Insu­la­ner gewe­sen sein, um sich dabei zu quä­len, die­se stei­len Hän­ge zu kul­ti­vie­ren, sin­niert die Autorin.

„Sie konn­ten kei­ne Maschi­nen ver­wen­den, daher war es nicht so hart für sie“, lässt sie Bax­ter sagen. „Noch heu­te erle­di­gen die Bau­ern alles per Hand“. Wie auf Kom­man­do habe ein alter Mann mit fla­cher Müt­ze einen Eimer mit Kar­tof­feln erho­ben auf der stei­len Stra­ße seit­lich von ihnen. Der frucht­ba­re Boden schien in sei­ner Pro­duk­ti­vi­tät unbe­grenzt, die der den Leva­das ver­dankt, einem Netz­werk aus Kanä­len, das die Fel­der wäs­sert. Por­tu­gie­sen hät­ten Madei­ra vor 600 Jah­ren ent­deckt, die Leva­das stamm­ten aus die­ser Epoche.

Kostbares Nass in den levadas

Sie lei­ten kost­ba­res Nass aus den leben­di­gen, schwamm­ar­ti­gen Lor­beer­wäl­dern auf die durs­ti­gen Ter­ras­sen. Über Madei­ra hin­weg zieht sich das mehr als 2000 Kilo­me­ter lan­ge Leva­da-Netz­werk, tröp­felnd wie Adern. Die Pfa­de ent­lang der Kanä­le gli­chen einer gro­ßen Zeich­nung mit phan­tas­ti­schen Rou­ten für Wanderer.

„Ich folg­te eini­gen kur­zen Leva­da-Abschnit­ten, die einen Spa­zier­gang am Ribei­ro Frio ein­schloss. Auf der Rou­te tröp­fel­te und atme­te der Wald – du konn­test das Leben in ihm spü­ren. Als ich durch moo­si­ge Baum­stäm­me und bär­ti­ge Flech­ten streif­te, traf ich auf ein Café, das pon­cha ver­kauf­te, loka­len Schnaps“, erzählt Bax­ter. Die­ser set­ze sich zusam­men aus Zucker­rohr, Honig, Zucker und Zitro­ne. Vom Bal­kon des Cafés habe die Autorin dann die Aus­sicht genos­sen. Dabei habe sie sich ange­sichts eines unter ihr befind­li­chen Was­ser­falls wie in Chi­na gefühlt, also in einer mys­ti­schen nebe­li­gen Szene.

Von dort sei sie mit Ricar­do zur Quin­ta do Furão gefah­ren, wo ihnen einen köst­li­ches Mahl mit Degen­fisch und Napf­schne­cken-Risot­to ser­viert wor­den sei. Vom Tisch der Veran­da aus habe sie über die Nord­küs­te der Insel bli­cken kön­nen, „eine Küs­te mit einer ziem­li­chen Beu­le“. Die vol­le Kraft der herr­schen­den Wind lie­ßen die Klip­pen bis hin zur Unter­wer­fung ero­die­ren; Fel­sen fie­len ein­fach in den Schaum.

Piraten auf Madeira

Gera­de­wegs unter dem Restau­rant erblick­te Bax­ter ein Stück Land zum Ver­kauf. Es sei über­wach­sen gewe­sen, uner­reich­bar, voll­kom­men unprak­tisch. In ihr sei der Tag­traum ent­stan­den, es zu kau­fen, dar­auf ein Zelt auf­zu­stel­len und dann das wei­te­re Leben über die wil­de feind­li­che Küs­te zu schau­en. Ricar­do selbst gestand ihr, Pira­ten­blut in sich zu haben. „Madei­ra wur­de wäh­rend des 16. Jahr­hun­derts häu­fig von Pira­ten atta­ckiert“, erzählt er ihr.

„In den Jah­ren danach sind vie­le Kin­der mit unbe­kann­tem Vater auf die Welt gekom­men – mei­ne Fami­lie betraf das auch. Daher mag ich es wohl, mor­gens Rum zu trin­ken.“ 1566 lan­de­te der fran­zö­si­sche Pirat Bert­rand de Mont­luc vor Fun­chal. Er wüte­te unter den Ein­hei­mi­schen, wobei hun­der­te von ihnen umka­men. Danach sei­en Fes­tun­gen errich­tet wor­den zum Schutz des Eilands. „An der Nord­küs­te muss­ten nicht vie­le errich­tet wer­den“, fügt er spä­ter hin­zu, als er dort mit Bax­ter an einer Mau­er aus unüber­wind­li­chem Fel­sen betrachtet.

Oder wäre es das gewe­sen“ Eini­ge Tage spä­ter habe sie sich an solch einem Wall befun­den, gehau­en über einer Ril­le an den Klip­pen. Dort sei Was­ser her­un­ter­ge­strömt, Gebüsch in die Wel­len dar­un­ter gestürzt. An die­sem Tag sei Ser­gio vom Go Trail Madei­ra ihr Füh­rer gewe­sen, um einen der Mee­res­pfa­de der Insel zu erkunden.

Ultra Trail (MUIT) weit draußen im Atlantik

Dort sei es spek­ta­ku­lär gewe­sen, nicht umsonst der letz­te Teil des Ultra Trails der Insel (MUIT), der bei ihrer Ankunft bereits den zehn­ten Jah­res­tag gefei­ert habe. Über 115 Kilo­me­ter lang sei die­ser Wett­be­werb, bei dem Por­to Moniz im Nord­wes­ten und Machi­co im Süd­os­ten mit­ein­an­der ver­bun­den wür­den. Inte­griert wür­de der mit 1862 Metern höchs­te Berg der Insel, der Pico Rui­vo. Bax­ter selbst tes­te die zwölf Kilo­me­ter lan­ge Etap­pe zwi­schen Por­to da Cruz und Machi­co mit­tels des soge­nann­ten Ver­eda do Larano-Pfades.

Los­ge­gan­gen sei es ab Engen­hos do Nor­te, wo es auch eine dampf­ge­trie­be­ne Rum-Destil­le­rie gebe. Doch zum Trin­ken habe es kei­ne Zeit gege­ben. Hin­ter Por­to da Cruz begin­ne ein Küs­ten­weg, den an die­sem Tag Wel­len benetzt hät­ten, bevor es wei­ter ins Hin­ter­land gegan­gen sei. Dort gebe es gra­sen­de Tie­re auf Wei­den zu sehen. Der Pfad fol­ge fla­chen Leva­das. Mit­un­ter ver­lau­fe der Weg auf Klip­pen, win­de sich auf Fel­sen, von denen man bis nach Pon­ta de São Lou­ren­ço kom­me – Madei­ras öst­lichs­ter Punkt.

Madei­ra mit der sel­ten fla­chen, dünn besie­del­ten Wild­nis, sei wie gemacht fürs Trail-Ren­nen, also fürs Lau­fen im Gelän­de. In den letz­ten Jah­ren habe der Sport hier stark zuge­nom­men mit loka­len Ren­nen im Kalen­der. Gro­ße Namen der Sze­ne hät­ten sich dazu ein­ge­fun­den. Der bes­te Ath­let Por­tu­gals, Luis Fer­nan­des, stam­me sogar von Madei­ra. Aber man müs­se kei­ne Berg­zie­ge oder oder Wett­läu­fer sein, um die Stre­cken bewäl­ti­gen zu kön­nen, meint Bax­ter. Die Idee hin­ter den Trails sei eher ein Men­ta­li­täts­wan­del; die­ser las­se die Welt wis­sen, dass das siche­re Madei­ra auf­re­gen­de Rou­ten zu bie­ten habe, egal wel­ches Tem­po man ein­schla­gen wolle.

Sie habe sich am nächs­ten Tag defi­ni­tiv fürs lang­sa­me Lau­fen ent­schie­den, als sie an der Nord­küs­te bei Por­to Moniz zum höchs­ten Pla­teau im Gebiet von Fanal her­auf­ge­stie­gen sei, ein schar­fer Auf­stieg auf gut 1000 Meter. Dies sei auch die Etap­pe des Trail-Laufs; so wie sie gepus­tet und geschnauft habe, über Moo­se gehüpft, Far­ne gestreift und über Wur­zeln geschrit­ten sein, hät­te sie sich kaum vor­stel­len kön­nen, ihre hun­dert Kilo­me­ter bewäl­ti­gen zu können.

Auf dem Plateau von Funal

Als sie das Pla­teau erreicht habe, waber­te über­all Nebel; einen Aus­blick habe es nicht gege­ben. Doch es sei über­wäl­ti­gend gewe­sen. Fanal gehö­re zu Madei­ras feins­ten, von der UNESCO gelis­te­ten, Lau­ri­sil­va, den ers­ten Lor­beer­wald, der gro­ße Tei­le Süd­eu­ro­pas vor über 40 Mil­lio­nen Jah­ren bedeckt habe. Heu­te sei er nur noch sel­ten. Hoch oben sei es wie im Mär­chen gewe­sen. Die Bäu­me sei­en wie Geis­ter erschie­nen, Gespens­ter im Dunst mit krum­men Glied­ma­ßen. Sie wirk­ten wie Groß­vä­ter, gebeugt, bär­tig und wei­se. „Alles, was ich tun konn­te, war anzu­hal­ten und sie zu lieb­ko­sen.“ Ruhe kam in ihr auf. Sie habe den alten Wald wie Bal­sam durch die Schu­he in sich auf­ge­nom­men, zusam­men mit den Pfüt­zen des letz­ten Regengusses.

Am Nach­mit­tag sei sie nach Fun­chal zurück­ge­kehrt. Bei einem Glas pon­cha habe sie sich den Kar­ne­vals­um­zug im Gewirr von Federn und Strings ange­se­hen. Sie habe sich gewünscht, auch den Umzug der Diens­tags­pa­ra­de zu sehen. Der Taxi­fah­rer habe ihr auf dem Weg zum Flug­ha­fen erzählt, dass die­se Dum­mer Kar­ne­val genannt wer­de. „Jeder darf dar­an teil­neh­men. Die Leu­te zie­hen an, was sie wol­len, Poli­ti­ker wer­den auf die Schip­pe genom­men. Dies gleicht mehr einer Gesell­schafts­sa­ti­re.“ Dies habe mehr nach der Insel geklun­gen, schließt Bax­ter den Arti­kel, die sie gefun­den habe.

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