Skywalk über dem Biggesee, eine Burgruine und eine prächtige Pfarrkirche: Attendorn hat mehr zu bieten, als zu erwarten war. Das Beste jedoch sahen ein Kumpel Ulf und der Reisende aber schon am Vorabend beim Erreichen der Stadtgrenze. Das erste, was sie von der Stadt sahen, war das Minarett einer riesigen Moschee. In Attendorn existiert seit 1986 eine islamische Gemeinde der DITIB. Sie besitzt die 2017 eröffnete Yeni-Moschee. Diese verfügt über eine Grundfläche von 1453 Quadratmetern auf vier Etagen. Im Verein sind etwa 200 Muslime organisiert.
Von Bonn startend und dann von Siegen aus kommend, besichtigten Ulf und der Reisende auf der Strecke zuvor noch Olpe. Der Reisende war neugierig, diesen Ort zu sehen, weil ein Freund hier vom Studienseminar und Lehrern der Gesamtschule während seines Referendariats ziemlich mies behandelt wurde. Bereits nach vier Wochen vermittelte man ihm, dass er fürs Unterrichten nicht geeignet sei. Dabei befand er sich gerade am Anfang seiner Ausbildung. Seine Ausbilder sahen sich wohl als Propheten an.
Das katholische Attendorn mit dem bekannten “Sauerländer Dom” erweist sich als vorbildlich und mutig, zeigt stolz auf das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens. Das kommt nicht von ungefähr. Denn Attendorn ist ein bedeutender Industriestandort in dieser Region. Die Armaturenindustrie stellt heute einen der wichtigsten und bekanntesten Wirtschaftszweige der Stadt – und sie stehen beispielhaft für zahlreiche weitere inhabergeführte, mittelständische Betriebe mit starker lokaler Verankerung. Dort sind viele Arbeitnehmer mit türkischen Wurzeln beschäftigt. Die IHK Siegen bezeichnet Attendorn sogar als “Perle des Sauerlandes”.
Der zweite Höhepunkt ist, dass es in Attendorn auch einen Campingplatz gibt. Auf Biggesee Camping bei Olpe gab es keinen Platz mehr für zwei Zelte und Räder. Aber “Hof Biggen” ist auch viel besser, da er zentrumsnah liegt. Ein Vater, der mit seinem Sohn das Wochenende dort verbringt, spendiert gleich frisch gebratene Würstchen und lädt zum Wikingerschach ein. Ein wesentlicher Vorteil des Campens, familiäre Atmosphäre statt im meist anonymen Hotel unterzukommen. Den Abend verbringen Ulf und der Reisende am “Alten Markt” vor dem Restaurant “Fasskeller”. Dort lernen sie die nette Kunstlehrerin Crissi kennen. Sie jobbt hier während ihres Sabbaticals und empfiehlt, nach Plettenberg zu kommen. Dort lebt und unterrichtet sie. Ein schöner Abend bei lauer Luft.
Am nächsten Morgen chattet der Reisende mit Carina, die aus Attendorn kommt. Er fragt nach Geheimtipps. Sie empfiehlt, den Skywalk Biggeblick und die Burgruine Waldenburg zu besuchen. Glücklicherweise liegt der Waldpfad fast am Campingplatz. Da bergauf und mit Gepäck müssen Ulf und er teilweise etwas schieben. Aber es lohnt sich. Unterhalb des Skywalks breitet sich die gewaltige Talsperre aus. Es wirkt fast so, als säße man auf einer Alm und blickte in ein tiefes Tal.
Ist solch eine Talsperre sinnvoll? Direkt am Wasser versprüht sie wie aus sicherer Entfernung trotz einiger Badestrände keinen Charme. Am Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Uni Tübingen meinen Experten, jedes Stauwerk bewirke eine Veränderung im Ökosystem. Das Zentrum hat eine Datenbank mit weltweit mehr als 3700 mittleren und großen Wasserkraftwerken aufgebaut, die geplant oder schon aufgebaut werden. Die große Menge erkläre sich durchs zunehmende Interesse ab erneuerbaren Energiequellen.
Klimaneutral sollen die Kraftwerke nicht sein, weil sich beim Abbau organischen Materials wie Holz in Stauseen sammele. Methan entstehe dabei, 25 Mal schädlicher als Kohlendioxid. So entstehen nach Berechnungen eines internationalen Forschungsteams gut eine Milliarde Tonnen Treibhausgase. 58 000 Flüsse sind so keine natürlichen Gewässer mehr, zählte die Internationale Kommission für große Talsperren. Lebensraum werde zerstört, von Mensch, Pflanzen und Tier. Die Biodiversität nimmt ab. Probleme können darüber hinaus durch Lizenzfragen bei der Privatisierung der Wasserwirtschaft entstehen. Wirtschaftlichen Profit kann in manchen Ländern auch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung daraus ziehen. Zudem können manche Existenzen wie die Fischerei zerstört werden oder die Heimat von Menschen durch Umsiedlung. In manchen Ländern sind auch grenzüberschreitende Wasserkonflikte denkbar.
Dem gegenüber stehen der Gewinn von Strom aus erneuerbaren Energien. Auch eine bessere Kontrolle des Hochwassers scheint möglich zu sein. Darüber hinaus kann die Versorgung mit Wasser für Landwirtschaft und mit Trinkwasser leichter funktionieren. Der Aufbau von Talsperren kann auch Arbeitsplätze schaffen.
Zurück zur Radreise: Nach einem guten Frühstück in einer Bäckerei und der Besichtigung von Kirche und Rathaus geht es zur Burg Schnellenberg. Als er an den Tennisplätzen vorbeikommt, stellt der Reisende sich vor, wie Carina hier Tennis spielt. Von der Burg aus ergibt sich ein schöner Ausblick über die Lage Attendorns im Tal.
Nur gut 2,2 Kilometer entfernt liegt die Ruine Waldenburg, oberhalb des Biggesees. Auch hier muss man — da Zelt und Gepäck — schieben, um die auf einer Anhöhe befindliche Burg zu erreichen. Ringsherum liegt oben nur Natur. Einige Familien sind auch auf die Idee gekommen, die Stätte zu besuchen. Aber es ist zum Glück nicht überlaufen. Eine gute Erholungsmöglichkeit von einer aufdringlichen Frau, wovon hier erzählt wird.
Danach geht es weiter zum Kahlen Asten.
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