Im Harrods von Graz: Doch beim Durchblättern des von der Grazer Agentur „Creative Industries of Styria“ (CIS) konzipierten Magazins „Wir bewerben uns“ ist es erstaunlich, dass Graz den Titel errungen hat, weil man sich fragt, ob einige der 350 abgebildeten Objekte eigentlich den Ansprüchen modernen Designs genügen, zum Beispiel Bilder aus Friseursalons, Modeläden und Museen. Viele dieser Objekte scheinen austauschbar zu sein. Wurde nicht mit 1,5 Millionen Euro zu viel aufs Spiel gesetzt, um einen Titel zu erringen, den kaum jemand kennt? Trotz allem kann jeder auf einem eintägigen Rundgang durchs Stadtzentrum selbst feststellen, warum Graz diesen Titel errungen hat.
Kaum ein Grazbesucher wird das Kaufhaus Kastner & Öhler nicht in seinen Stadtrundgang aufnehmen. Tourismussprecherin Margot Bachbauer bezeichnet es als das Harrods von Graz. Nach einigen Minuten kommt Martin Wäg, Geschäftsführer des traditionellen Kaufhauses. Er erzählt, dass der 1913 errichtete Eingangsbereich, der historische Lichthof auf vier Stockwerken, erst im vergangenen Oktober originalgetreu wiederhergestellt worden sei. Alte goldfarbene Stuckarbeiten wären so gut wie nicht mehr vorhanden gewesen.
Anstelle der alten Lichtkuppel gebe es jetzt ein fünftes Stockwerk und darauf eine Dachterrasse mit Außen- und Innenbereich. Diesen Dienst am Kunden könne sich das Kaufhaus leisten. Die Kunden fühlten sich durch die Jugendstilelemente an früher erinnert. Er sagt eben das, was ein Geschäftsführer so sagen muss. Endlich geht es auf die Rolltreppe. Dabei unterhält er sich mit Sabine Prammer, CIS-Mitarbeiterin, die den Besuch des Kaufhauses vorgeschlagen hat. Die Kinder beider sind in dieselbe Klasse gegangen. Und vor kurzem hat Martin Wäg seine Tante im Kaufhaus getroffen.
Während des Aufwärtsrollens sieht man auf jeder Etage zu Arkaden verbundene Säulen. Aus Pflanzen am Fuße der Säulen ranken sich immer neu bis zur Decke gewundene goldene Zweige empor, mitunter hängen an ihnen auch goldene Trauben. Das formale Leitmotiv des Jugendstils war die geschwungene Linie, der wellige Kurvenzug als Teil organischer Formen, wozu sich die Rebe durch ihre typische Form besonders eignet. Die stilisierte vegetative Form wurde Leitmotiv der Dekoration. Die Ornamente stammen aus einer Zeit, an deren Erscheinungsbild sich kein Kunde mehr erinnern dürfte. Verklärt hingegen ist immer noch das Bild des beliebten alten Kaisers Franz-Josef I. von Österreich erlebten. So nostalgisch beseelt sollen sich heute Kunden zum Kaufen verführen lassen. Sie sollen etwas Individuelles inmitten der Massenprodukte spüren.
Oben angekommen, vermitteln Bilder einen Eindruck davon, wie das Kaufhaus Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesehen hat. „Die sollen auch die nächsten zwanzig Jahre hier hängen“, sagt Wäg. Dahinter liegt die neue Dachterrasse mit vielen Besuchern. Wäg ist stolz. „Wir sind wohl das einzige Kaufhaus auf der Welt, das über solch eine Terrasse verfügt.“ Viele Besucher halten hier nicht nur einen Kaffee aus der Bar in der Hand, sondern lichten auch die roten Ziegeldächer ab, ein berühmtes Wahrzeichen der Stadt. Davor eine futuristisch gestylte Seilbahn, mit der man den beliebten Schlossberg bezwingen kann, rechts davon über allen Dächer ein ebenfalls futuristisches Lichtschwert.
Im Bewerbungsmagazin der Stadt Graz finden sich Fotos aus der Kollektion der Modedesignerin und Kleidermacherin Lena Hoschek. Sie machte vor einiger Zeit mit einem Kleid fürs Popsternchen Katy Perry – „I kissed a girl“ — auf sich aufmerksam. Sie erhielt dadurch viele Aufträge. Ihr Modegeschäft befindet sich nahe…
Pingback: Graz ist City of Design - Durchstreifen & Erleben