Jetzt hat auch die “Washington Post” die Jakobswege in Spanien entdeckt: Tap-tap-tap — Pilger in Uniform. Die Zeitung nörgelt jedoch zu sehr darüber. Das kann daran liegen, dass Autorin Jeanine Barone dort nur wenig gepilgert ist. Der Reisende hat hingegen den Jakobsweg auf dem Rad bestritten. Er kennt mittlerweile vier verschiedene Routen: den Küstenweg Camino de la Costa, den Camino francés sowie die Via de la plata. Kürzlich radelte er noch auf dem Caminho Português von Porto nach Santiago. Daher verfügt er schon über reichlich Erfahrung. Eine Jakobswegmuschel hängt dementsprechend als Talisman am heimischen Kleiderschrank.
Nur dem Argument Barones, dass es recht viel an der Straße entlanggeht, kann der Reisende zustimmen: “But despite its popularity, the Camino Francés isn’t uniformly picturesque. Most of the age-old trail meanders through unremarkable farmland or beside busy paved roads or even heavily trafficked highways.”
Besser auf kleinen Straßen radeln als auf der carretera
Dem Reisenden tun die Pilger oft auf dem Camino francés leid, weil es dort anstrengend ist. Für Radfahrer hingegen ist es ideal. Denn es geht auf Asphalt schneller voran. Allerdings wird es dort auch recht heiß. Er hat auch schon aufgeweichtem Asphalt ausweichen müssen. Dämpfe steigen auf. Es empfiehlt sich, mit Hilfe eines Navis den großen Straßen — carreteras auf Spanisch — auszuweichen. Die schmaleren und von Bäumen beschatteten Wege sind angenehmer zum Pilgern auf dem Jakobsweg. Aber auch selbst schwierige Wege sind immer noch erholsamer als mit regem Autoverkehr unterwegs zu sein. Wenigstens bringen sie einem auch dazu noch eine gute Kondition ein.
Gerade im Umkreis großer Städte wie Pamplona, Burgos, Santiago de Compostela und Porto sind die Wege teils unmöglich angelegt; selbst noch bei kleineren Orten wie Tui läuft man mehrere Stunden am Verkehr vorbei. Der Reisende war wirklich froh, zu radeln, würde als Wanderer eher den Bus bis aufs Land nehmen und sich so 20 Kilometer Laufen auf Asphalt ersparen. In vielen Wanderführern wird Asphalt oft verschwiegen.
Nie und nimmer würde er dort im Hochsommer unterwegs sein wollen. Denn es ist auch nicht immer einfach, sich mit Wasser zu versorgen. Dabei sind die Menschen in Bars und Privathäusern hilfsbereit. Wie oft kippten ihm Barkeeper in Südfrankreich und Spanien noch Eis in die Flaschen. Oder Bewohner eilten in die Küche, um zu helfen. Sie sorgen sich, dass Pilger einen Hitzschlag erleiden. Er hat auch schon von Polizisten gehört, die Wanderer in den Streifenwagen setzten, damit sie sich mit Hilfe der Klimaanlage wieder abkühlen konnten.
Hilfsbereite Pilger
Auch die Pilger selbst sind oft hilfsbereit. Der Reisende lernte auf dem portugiesischen Weg zum Beispiel sehr nette mehrsprachige Franzosen kennen. Mit ihnen war er an zwei Tagen mehrere Stunden unterwegs und hält noch heute dank Facebook Kontakt. Auch übernachteten sie gemeinsam in einer Herberge. Sie schoben das schwere Rad mit an einer steilen Stelle in einem Wald. Auf einem Platz vor einer Kathedrale picknickten sie zusammen. Es war ihnen sehr wichtig, die Mahlzeit zu teilen. Zum Glück hatte er selbst auch gerade guten Käse eingekauft, um ihn mit seinen neuen Bekanntschaften zu verzehren.
Die Massen der 320 000 Menschen, die 2018 in Spanien unterwegs waren, empfand der Reisende nie als belastend. Eher bereicherten sie die Etappen, weil sie von vielen Kontinenten kamen. Vermehrt kommen auch Amerikaner wie Jeannine Barone. Abends bei einem Bierchen liefern die Pilger immer interessanten Gesprächsstoff. Und das “rhythmische tap-tap-tap der Wanderstöcke” hört er nie auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Eher bewundert er, um wieviel fitter die Leute werden, je näher sie der Kathedrale kommen.
Pilger in Uniform
Das ist am weiten gleichmäßigen Schritt zu sehen, mit dem sie durch die Landschaft sausen. Während der Radler irgendwo gemütlich Kaffee trinkt und sich mit anderen Gästen unterhält, laufen sie auf dem Pfad vorbei und sind fünf Kilometer später wieder anzutreffen. Auf den ersten Etappen nahe der französischen Grenze laufen bei einigen noch die Tränen. Dann setzt die Gewohnheit ein. Muskeln und Sehnen haben sich ans regelmäßige Laufen und ans Gewicht des Gepäcks gewöhnt. Die meisten überflüssigen Pfunde sind bereits gepurzelt.
Dann braucht keiner mehr einen Stock zum tap-tap-tap für Pilger in Uniform. Er muss nicht unbedingt zur Pilgerausrüstung gehören, die oft am Anfang bei St. Jean-Pied-de-Port skurrile Züge annehmen kann. Manche Männer sind geradezu uniformiert, um auf jeden Fall als Pilger aufzufallen. Selbst wenn erst eine Etappe zurückgelegt ist: Ein langer Bart scheint unabdinglich. Dazu ein Pilgerhut, ein Stock und eine baumelnde Muschel.
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