Trauer mischt sich mit Stolz: Die australischen Soldaten sahen ihre Beteiligung am Krieg als ehrenvollen Einsatz auf dem Wege zu einer australischen nationalen Identität. „Durch den modernen Krieg sind viele erstmals dem organisierten Massentod begegnet“, schreibt der amerikanische Historiker George L. Mosse. Überall habe man die Toten beweint. Aber in die Trauer habe sich oft ein Gefühl des Stolzes gemischt, das Empfinden, für eine edle Sache gekämpft und ein Opfer gebracht zu haben. Dem Tod der Soldaten sei so ein Sinn gegeben worden, sie seien für ihr Vaterland gestorben. „Letztlich ging es darum“, schreibt Mosse, „eine an sich unerträgliche Vergangenheit erträglich zu machen, nicht nur um Trost zu spenden, sondern vor allem, um die Nation zu rechtfertigen, in deren Namen der Krieg geführt worden war.“
Australien konnte sich als neues selbstbewusstes Land präsentieren, politisch und kulturell unabhängig von den Briten. Die Unterschrift unter den Versailler Vertrag von 1919 durfte man wie die anderen Dominions leisten. Man übte damit ein Recht aus, das sonst nur dem englischen König vorbehalten war. Für den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg entschieden sich dann die ehemaligen Dominions selbständig. Dadurch fühlen sie sich bis heute miteinander verbunden. Australien gehört daher bis heute dem Commonwealth an. Die darin vereinten Staaten kämpften so für das Britische Empire. Vom Commonwealth beginnen sich aktuell die ersten Länder zu lösen nach dem Tod von Queen Elizabeth im September 2022. Der Weg der Erinnerung führt weiter zum nächsten interessanten Ort, gestaltet von einem renommierten Architekten.
Rudyard Kipling gestaltete Gedenkstein
Die Anlage entspricht dem Grundplan englischer Friedhöfe: Um ein Opferkreuz und einen Gedenkstein im Mittelpunkt gruppieren sich die Gräber. Der schwere massive Gedenkstein ist wie ein Altar geformt, ein Symbol für den Opfertod. Die Inschrift lautet: „Their name liveth for evermore“ (Der Name der Gefallenen lebt auf ewig fort). Rudyard Kipling, der der 1916 gegründeten britischen Kriegsgräber-Organisation angehörte, hat diesen Vers dem Buch Sirach entnommen. Rudyard Kipling gestaltete den Gedenkstein. Die Seele der Toten weilt demnach hier, auch wenn niemand weiß, wo der Soldat gestorben ist. Und ihre Namen sind das, was bleibt; das bedeutet etwas in Großbritannien.
Schwierig ist die Deutung des daneben stehenden Kreuzes. Ein Kreuz oder ein Schwert sind in es eingearbeitet. Kipling deutet es als „ein starres Schwert, das im Schoß des Kreuzes hing, dessen Symbolik unbestimmt war.“ Man kann es als Kriegsopfer und als Hoffnung auf die Auferstehung deuten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich ein radikaler Wandel der Erinnerungskultur an die Kriegsgeschehnisse. Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatspräsident François Mitterand setzten sich für Versöhnung zwischen den ehemaligen Feinden ein.