Größtes Lager für Kriegsgefangene: Zum Vergleich nach Deutschland, um zu sehen, wie man dort während des Krieges und danach Friedhöfe und Denkmäler gestaltete: In Nienberge nahe Münster befand sich während des Ersten Weltkrieges das größte Gefangenenlager Nordwestdeutschlands, heute als Haus Spital bekannt. Nur vereinzelt kommen Besucher. Einsam liegt die im Volksmund „Russenfriedhof“ genannte Kriegsgräberstätte, umgeben von Platanen und heimischen Laubbäumen. „Requiescant in pace“ — „Sie mögen ruhen in Frieden“ — steht am doppelflügeligen Eingangstor. Auch die griechischen Buchstaben Alpha und Omega, Anfang und Ende, sind zu sehen. Christus steht an Anfang und Ende allen Seins, umfasst also die Weltgeschichte. Alles ruht in Gottes Hand. Von deutschen Soldaten bewacht, ordneten Gefangene aus England, Russland, Belgien, Italien und Frankreich ihre Angelegenheiten selbst, alle Berufe waren vertreten.
Für die Kranken wurde ein Lazarett eingerichtet, für die Toten ein eigener Friedhof. 770 Namen französischer, belgischer und russischer Kriegsgefangener sind auf einer Gedenksäule und auf Tafeln eingemeißelt. Franzosen, Belgier, Engländer und Italiener wurden umgebettet, jetzt liegen hier noch Russen, Polen, Ukrainer, Wolgadeutsche und ein indischer Stammesfürst. In Zusammenarbeit mit dem Lagerkommandanten gestaltete der Architekt Duthoit die Anlage. Er stammte aus Lille. Er entwarf selbst Form und Beschriftung jedes Einzelteils. Dafür standen ihm die Steinmetze und Schmiede unter den Gefangenen zur Verfügung. Auf einem Gedenkstein steht „Pro Patria“.
Erinnerungstourismus gibt es nicht. Aber die katholische Gemeinde St. Sebastian gedenkt der Gestorbenen an den Totengedenktagen im November.
„Den Toten zur Ehre“
Ganz in der Nähe steht an der Dorfkirche St. Sebastian in Nienberge bei Münster ein künstlerisch wertvolles Kriegerdenkmal. Selten bleibt jemand hier stehen. Nur am Volkstrauertag (immer zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag) gedenkt die Soldatenkameradschaft der Gefallenen beider Weltkriege.
Dargestellt ist ein Genius. Er ist mit einer Hand gefesselt an einem seiner Krone beraubten Eichbaum. Er beugt sich gramvoll zu einem toten Soldaten in deutscher Uniform nieder. Die andere freie Hand streckt er ihm entgegen. Neben dem Soldaten liegt ein Stahlhelm. Unter ihm ist Munition zu sehen. Den Tornister trägt er noch auf dem Rücken. Die Inschrift des 1921 errichteten Denkmals lautet in großen Lettern: „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung“.
Niemand ruft mit diesem Monument auf, politisch zu handeln. Der Genius kommt von links wie der Engel der Verkündigung auf mittelalterlichen Darstellungen. Die Mahnung liegt sowohl im gefesselten Genius als auch in der gekürzten Eiche — bildhafte Symbole für das damalige Deutschland um 1921. Keiner wusste kurz nach Gründung der Weimarer Republik und dem Diktat des Versailler Vertrages, wie es weitergehen sollte. Der Genius ist nicht religiös gebunden. Er steht über allen Dingen und ist unparteiisch. Auch Linden waren symbolisch im Krieg.