Im harten Nordseewind hört man wimmerndes Metall der Kräne und Schiffe im Südhafen von Esbjerg. Dort werden am Tag Schiffe und Ölplattformen gewartet. Doch an diesem Abend sind nur zwei Angler am Ende der Mole hier und der Reisende. Wie Tentakeln ragen die filigranen Netzstrukturen der Kräne in den Himmel. Es würde nicht verwundern, wenn jetzt einige der fiesen insektenartigen Viecher aus dem Film „Matrix“ hier auftauchten.
Die Westküste Jütlands hat der Reisende lange unterschätzt. Dabei ist sie zwischen Höjer und Esbjerg deutlich attraktiver als die deutsche Nordseeküste. Auf seiner ersten Radtour nahm der Reporter sie nur über die das Wellenbaden verhindernde Ebbe wahr. Und viel Industrie, die die von Landwirtschaft geprägte Landschaft verschandelt. Doch das hat sich jetzt geändert. Das Spektrum reicht von Perlen wie Ribe, Römö und Fanö über Vulkane wie Esbjerg bis hin zu Wüsten wie Hvide Sande, Vejers Strand, Bork Havn, selbst Ringköbing. Vieles scheint zubetoniert. Den meisten Kaffeehäusern mangelt an Gemütlichkeit. Hier scheint zuzutreffen, was ein Gastronom in Büsum vor vier Wochen kritisierte. Viele trimmten ihre Geschäfte auf Imbiss. Das Essen werde vereinheitlicht.
Drachen und Strandsegler
Am nächsten Tag sieht die Szenerie von der Fähre nach Fanö nicht mehr so gespenstisch aus. Die Exzentrik aber bleibt trotz des Sonnenscheins. Sie verblasst dann aber auch etwas nach dem Tag mit Kriechen durch Bunker, Krauchen über einen kilometerlangen Strand vorbei an Drachen und Strandseglern. Von der Kulinarik hat der Reisende nicht wirklich gekostet. Er lässt hier lieber Flora Jädicke den Vortritt, die sich speziell dafür hier umgeschaut hat.
Das gilt genauso für Römö, wo sich der Reisende aufgrund des günstigen Preises im Asia-Restaurant abends niederließ. An „All you can eat“ kommt ein hungriger Radler nach der Überquerung des 1948 errichteten ewig langen Dammes bei Gegenwind nicht vorbei. Zudem nutzten der Chinese und er in Lakolk ausgiebig die Gelegenheit, gegenseitig ihre Dänisch-Kenntnisse im Dialog aufzufrischen. Denn auch dieser kämpfte noch immer mit der für ihn immer noch fremden Sprache.
Am nächsten Tag genoss der Reisende an einem einsamen Strand den Blick auf Sylt, sog den typischen Geruch dänischer Heide in sich auf. Dies war der Geruch seiner Kindheit in Dänemark an den Stränden von Gjerrild, Asserbo und Skagen. Dabei musste er aber auch auch den hässlichen Anblick des Hafens nach Sylt verdauen, in dem zwei Fischrestaurants versuchen, Besucher aus Sylt Geld mit hohen Preisen aus der Tasche zu ziehen. Und irgendwie war es doch schöner, bei Ebbe zur Insel Noirmoutier überzusetzen, bevor die Flut kam. Solch ein Abenteuer nimmt einem leider ein hoher Damm.
Wirbelnder Sand freigelassen wie die Seele
Im Süden Jütlands ist auch Ödnis zu erfahren wie in Vejers Strand, Hvide Sande, Bork Havn und selbst Ringköbing. Im allerdings bescheidenen Rahmen reihten sich Imbisse und Nippes-Läden aneinander. Auch die vielen Ferienhäuser könnten stören. Derart beklagte sich eine Mitarbeiterin im Wikingercenter in Bork darüber. Aber immerhin ist die Küste nicht derart verbaut wie an manchen Abschnitten in Spanien, Frankreich oder selbst in einem Naturschutzgebiet wie Troia südlich von Lissabon. Meistens kann man doch noch die Seele baumeln lassen in Dünen, die es woanders nicht in Europa gibt. Dee Sand wirbelt hier freigelassen wie die Seele. Nicht einmal in Arcachon gibt es solche Dünen. Obwohl es selbst am Tag in Ribe oder Ringköbing nach der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten tödlich langweilig werden kann für den Normaltouristen. Für einen Journalisten gilt das nicht, da er immer neugierig ist und spannende Menschen und Landschaften fast automatisch vorfindet.
Wissen übers Wattenmeer aufgebaut
Und hier lernt er auch viel übers Wattenmeer wie zum Beispiel im Watttenmeerzentrum von Ribe. Umsäuselt von psychodelischer Musik verfolgen Besucher den Zug der Vögel, das Leben der Fische, sehen viele ausgestopfte Vögel. Allerdings kennt man vieles aua TV-Dokus. Und das Multimar-Wattforum in Tönning ist um etliche Klassen besser. Der Reisende kam mal in den Genuss, es auf einer kulinarischen Pressereise in Schleswig-Holstein kennenzulernen.
Wer also den südlichen der dänischen Nordsee besucht, muss mit einem heftigen Hin und Her eines Pendels rechnen. Was zunächst öde wirkt, kann auch Balsam für die Seele sein. Und es wirkt auch bescheiden ehrlich dänisch. Aber an der viel zitierten Gemütlichkeit hapert es dann. Aber wimmerndes Metall und wirbelnder Sand sind ja auch ganz schön.